Zürich-Marathon 06.04.2014

Nach 2005 habe ich mich dieses Jahr zur zweiten Marathonteilnahme in der schönen Stadt Zürich entschieden. Auch wenn meine Zeit von 2005 (3:27) jenseits meiner derzeitigen Möglichkeiten liegt, so wollte ich nach dem ermutigenden Ergebnis vom Thermenmarathon wenigstens noch einen flotten Stadtmarathon in diesem Jahr hinlegen (nachdem ich ansonsten nur noch Bergläufe und Trails geplant habe).

Die ganze Woche war wunderbares Wetter, aber am Samstag regnet es in Zürich und es ist ziemlich kalt. Nicht schön! Auf der recht überschaubaren Marathonmesse treffen wir eine alte Bekannte: Simone-Zitrone, die letztes Jahr mit uns zum Transalpine-Run gefahren war und auch mal wieder richtig schnell laufen will.

Der Zürich-Marathon startet relativ früh für diese Jahreszeit (8:30) und Zielschluss ist bereits nach fünfeinhalb Stunden. Das ist ein Zugeständnis an die betroffenen Anwohner, da ja die komplette Straße am Ostufer des Züricher Sees bis Meilen gesperrt werden muss. Der Streckenverlauf wurde gegenüber 2005 kräftig geändert: zunächst eine Schleife am See und durch die Züricher Innenstadt, nach 10 km kommen wir erneut über die Startlinie und dann laufen wir am Ostufer raus bis Meilen (km 25), die gleiche Strecke zurück und erneut die Schleife durch die Innenstadt, um dann auf direktem Weg ins Ziel wieder am Mythenquai zu kommen. Die neue Strecke ist besser als die alte, denn sie enthält wesentlich weniger Kurven (früher ging es nur am Ende kreuz und quer durch die Innenstadt) und die Zuschauer können die Läufer viel öfter sehen (am Bürkliplatz am Seeanleger sogar 5-mal!). Ansonsten ist die Strecke sehr schnell (wenn kein Wind weht) und hat nur unwesentliche Steigungen (dachte ich…).

Am Sonntagmorgen nieselt es noch leicht, aber die Wetteraussichten sind gut: es bleibt trocken und irgendwann kommt die Sonne raus. Es hat etwa 13 Grad, was eigentlich optimal für mich ist. Nach einer 45-minütigen Tramfahrt gebe ich meine Kleidung ab – das Depot sind alte Bahnwaggons, die auf einem ausgedienten Gleis in der Nähe des Starts stehen und Kerstin und ich schlendern zum Startbereich, wo sich ein paar Fitnesstrainer auf einem Sattelschlepperanhänger bemühen, die Läufer zu Aufwärmübungen zu bewegen.

Allein: keiner scheint Lust darauf zu haben. Nach 10 Minuten stellen die armen Vorturner ihre Bemühungen wieder ein. Ich mache mich lieber mit meiner üblichen Gymnastik warm. Kurze Zeit später sehe ich beim Warmlaufen bereits die Tempomacher. Hier ist Zürich mustergültig: es gibt sie für die Zeiten 3:00 bis 5:30 in 15-Minutenschritten und sie sind mit ihren großen grünen Fahnen nicht zu übersehen.

Ich werde mich wohl etwas an den 3:45 Läufern orientieren. Am Start ist dann allerdings das totale Chaos. Keiner weiß genau, wo die Startlinie ist und als die Ordner das Feld einigermaßen geordnet zurück gedrängt haben, finde ich mich plötzlich direkt hinter den Eliteläufern wieder. Ups – so schnell wollte ich auch wieder nicht laufen.

Aber keine Zeit mehr: schon läuft der Countdown von 5 runter – und los geht’s!

BMW hat es sich nicht nehmen lassen, sein neues Elektroauto i3 als Zeitmesswagen vorne weg fahren zu lassen (wie auch schon 2013 in Frankfurt). Eine gute Sache. Die Straßen sind zwar noch nass, aber es lässt sich sehr gut laufen. Ich schlage erst mal ein Tempo von etwa 5:10 an und werde hier vorne natürlich erst mal überholt, was das Zeug hält. Ist aber alles kein Problem, denn es ist genug Platz vorhanden. Zum Marathon haben sich gerade mal 3000 Teilnehmer angemeldet. Voller wird es erst 10 Minuten später: da startet der 10 km Cityrun, zu dem weitere 2500 Teilnehmer gemeldet sind und die die gleiche Strecke laufen wie wir. Sie sind unschwer an den gelben Shirts zu erkennen, mit denen sie laufen müssen. Außerdem gibt es noch rund 900 Staffeln, die 2 Minuten vor dem Cityrun an den Start gehen.

Die 3-Stunden-Tempoläufer sind ziemlich schnell an mir vorbei, kurze Zeit später auch die 3:15-Läufer. Die 3:30 brauchen etwa 5 km, bis auch sie mich überholen. Aber bereits nach 4 km spurtet der erste Staffelläufer an uns vorbei. Sie sind gut zu erkennen, weil sie neben der Startnummer auch hinten ein Schild angeheftet haben. Es wird heute eine konstante Begleiterscheinung bleiben, dass wir immer wieder von sehr schnellen Läufern überholt werden – eben den Staffeln.

Die erste Schleife führt ein Stück am Ostufer des Sees auf der Bellerivestraße bis am Zürichhorn vorbei und dann auf der parallel verlaufenden Dufourstraße wieder zurück in die Innenstadt. Ich bin gut unterwegs, mit einem Schnitt von 5:13 und fühle mich auch gut. Kurz taucht neben mir der laufende Reporter von Marathon4you auf. Er bleibt immer wieder mal stehen, um Fotos zu machen (ich bin auch ein paar Mal drauf), aber letztlich ist er zu schnell für mich (am Ende kommt er aber doch nur 5 Minuten vor mir ins Ziel).

Am Bürkliplatz wartet Kerstin auf mich, bekommt aber erst mal Simone aufs Bild, die natürlich deutlich schneller ist als ich. Auf der Quaibrücke fragt mich ein netter Schweizer Läufer, ob er mal ein Foto von mir machen soll. Na, da sag ich doch nicht nein!

Kurze Zeit später sehe ich auch schon Kerstin und biege anschließend in die Bahnhofstraße ein, der Haupteinkaufsstraße Zürichs und Standort der teuersten Läden der Stadt.

Am Paradeplatz stehen sehr dekorativ 3 Alphornbläser. Die dürfen bei einem Schweizer Lauf natürlich nicht fehlen. Am Bahnhof drehen wir dann ab und kommen über die Talstraße zurück zum Bürkliplatz.

Mittlerweile haben uns schon viele Cityrunner überholt. Als ich erneut durch den Startbogen laufe, der gleichzeitig das Ziel der Cityrunner ist, stehen genau 40 Minuten auf der Anzeigetafel der Cityrunner – die magische Grenze der ambitionierten 10 km-Läufer (hab ich nie geschafft, meine Bestzeit sind 41 Minuten). Ich komme nach gut 52 Minuten durch die 10 km-Marke. Das ist ganz schön schnell, aber bis jetzt läuft es auch ziemlich gut.

Kurz drauf kommen wir schon zum dritten Mal am Bürkliplatz vorbei. Ich schnappe mir wie verabredet ein Gel von Kerstin und mache mich auf den Weg am See hinaus nach Meilen.

Das Wetter ist nach wie vor sehr diesig, der Hochnebel hat alles im Griff. Aber es weht kein Wind und so sind es eigentlich optimale Bedingungen zum Laufen. Die Halbmarathonmarke passiere ich schließlich nach 1:52:20. Das wäre genau die Hälfte von 3:45, aber leider schaffe ich die zweite Hälfte ja nie genauso schnell wie die erste (geschweige denn schneller, wie es eigentlich sein sollte). Und während mir die ersten afrikanischen Läufer bereits entgegen kommen, höre ich plötzlich wildes Getrappel hinter mir: die 3:45-Tempoläufer kommen angerauscht mit einer ganzen Horde im Schlepptau. Sie überrollen mich förmlich und ich habe keine Chance, da dran zu bleiben. Na ja, das war‘s dann mit der 3:45.

Schade, ich hatte gehofft, die holen mich erst nach dem Wendepunkt in Meilen ein und so bin ich leicht frustriert, als ich Meilen erreiche, wo die letzte Staffel-Wechselstelle ist (der letzte Läufer muss 17 km laufen!) und der Wendepunkt an einem kleinen – eigentlich bedeutungslosen – Berg durch ein Zelt führt.

Ich mache den Fehler, den Berg zu schnell hinauf zu laufen und bin oben plötzlich völlig fertig. Nachdem dort auch eine Versorgungsstelle aufgebaut ist, gehe ich erst mal ein Stück, um mich zu erholen. Auf dem Rückweg pendelt sich mein Tempo bei etwa 5:25 ein, aber es kostet jetzt schon verdammt viel Anstrengung. Auf der Gegenseite laufen die 4-Stundenläufer vorbei. Die dürfen mich auf keinen Fall einholen!

Kurz hinter Küsnacht (nicht das Küssnacht aus Wilhelm Tell) sehe ich eine Läuferin im grauen Laufrock vor mir und denke: so einen muss Simone auch anhaben. Obwohl ich unheimlich aufgepasst habe, habe ich Simone nicht gesehen. Die hier vor mir kann es auch nicht sein, denn zum einen hat sie ein orangenes Oberteil an (Simone hat ein schwarzes an) und zum anderen ist sie viel zu groß. Als ich neben ihr bin, die Überraschung: es ist Eva. Eva und Wolfgang haben im gleichen Hotel wie wir übernachtet und wir zwei Pärchen waren heute früh die einzigen, die am Buffet gefrühstückt haben. Eva wollte eigentlich auch 3:45 laufen, schafft das aber ebenso wenig wie ich. Das Gute ist: wir können uns jetzt gegenseitig motivieren und das klappt sehr gut. Sie heftet sich an meine Fersen und ich denke mir „jetzt darfst Du Dir aber keine Schwäche leisten“. Erst mal laufe ich geringfügig schneller als sie, aber an den Versorgungsstellen ist sie schneller als ich und läuft mir jedes Mal davon. Als ich an der letzten Versorgungsstelle vor der Innenstadt noch ein Gel nehme und in aller Ruhe 2 Becher Cola austrinke, ist sie – schwupps – 200 Meter vor mir. Ich denke zwar nicht, dass ich sie noch mal einhole, aber geduldig kämpfe ich mich wieder ran und kurz vor der Quaibrücke bin ich wieder neben ihr. Da jetzt gleich der Bürkliplatz kommt (zum vierten Mal) und dort ja Kerstin auf mich wartet, sage ich ihr Bescheid und bleibe neben ihr, so dass ein paar schöne Bilder entstehen.

Durch die Innenstadt bleibe ich wieder knapp vor Eva, die jetzt genau wie ich ganz schön abgekämpft ist. Mittlerweile ist die Sonne raus gekommen und es ist richtig warm geworden. Nicht auszudenken, wie das gelaufen wäre, wäre die Sonne früher gekommen. In der Talstraße steht plötzlich Wolfgang, der auf seine Eva wartet. Ich grüße und denke mir noch: das ist ja toll, dass er auf seine Frau wartet. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß ist, dass er längst im Ziel war (nach 3:09:45) und jetzt eben Eva noch auf dem letzten Kilometer begleitet. Eigentlich ist er nämlich ein Sub-3-Stundenläufer. 500 Meter vor dem Ziel setzen die beiden zum Schlussspurt an und ich kann nicht mehr folgen. 100 Meter vor mir kommt Eva schließlich mit einer Endzeit von 3:50:06 ins Ziel, ich folge kurze Zeit später und schaffe eine 3:51:19.

Hocherfreut bin ich, dass auch Martin am Zieleinlauf steht: ihn haben wir in Gondo kennengelernt. Er lebt in Zürich und wir wollten uns heute Abend mit ihm treffen.

Ich bin einigermaßen zufrieden. Leider waren die 3:45 heute nicht drin, aber ich war doch deutlich schneller als vor 2 Monaten beim Thermenmarathon. Kurzes Abklatschen mit Eva, ich schnappe mir ein Wasser und ein Rivella und wir drängeln uns raus zu Kerstin und Martin.

Nachdem wir alte und neue Freunde begrüßt haben, geht es zurück zum Kleiderdepot, wo wir eine ziemlich wütende Simone antreffen: sie hat zwar mit 3:18:13 eine super Zeit hingelegt und ist 10. Ihrer Altersklasse geworden, aber unterwegs hatte sie ihren Zeitmesschip verloren, musste kurz zurück laufen und ihn suchen und hat ihn dann schließlich die ganze Zeit in der Hand gehalten.

Nach einer erfreulich heißen Dusche unter freiem Himmel und etwas Herumlungern im Zielbereich geht es schließlich zurück ins Hotel. Am Abend treffen wir uns dann noch mal mit Martin, essen schön im Zeughauskeller und dann zeigt uns Martin noch ein paar Sehenswürdigkeiten der Stadt wie das Waldmann-Denkmal, das Großmünster (nein, ich will heute nicht auf den Turm steigen) und das größte Ziffernblatt Europas an der Kirche St. Peter. So geht ein wunderschöner Tag in Zürich zu Ende.

Mit meiner Zeit bin ich im Endeffekt doch ganz zufrieden, vor allem bin ich stolz, mich auf den letzten 15 km überwunden und mein Tempo gehalten zu haben (hätte ohne die motivierende Eva nicht geklappt). Ich bin 83. meiner Altersklasse (von 143) und 1371. insgesamt (von 2208 Männern) geworden. Das Niveau war ziemlich hoch. Sieger wurde bei den Männern der Äthiopier Lemi Berhanu Hayle in 2:10:39 und bei den Frauen die Deutsche (!) Mona Stockhecke in 2:34:03. Sie hat immerhin eine Äthiopierin und eine Türkin auf die Plätze verwiesen!

Das war wohl der letzte Marathon in unter 4 Stunden für dieses Jahr …