Rennsteiglauf-Supermarathon 17.05.2014

Zum dritten Mal nach 2007 und 2011 nehme ich den „langen Kanten“ am Rennsteig unter die Füße, diesmal mit dem zweiten Frankenblitz Floh, für den es der erste Ultra wird. Es ist eine ungewisse Geschichte für ihn, denn in den letzten Wochen hat er immer wieder an seiner Hüftverletzung laboriert und der letzte lange Testlauf vor einer Woche ist komplett in die Hose gegangen: nach 26 km musste er mit heftigen Schmerzen abbrechen und sich abholen lassen. Ich bin leider auch nicht ganz verletzungsfrei geblieben: vor 3 Wochen hab ich es am Moritzberg bergab übertrieben und mir prompt eine Entzündung am linken Fußgelenk eingefangen. Ich hab das zwar einigermaßen im Griff, aber das Gelenk ist immer noch etwas geschwollen und ich muss höllisch aufpassen.

So angeschlagen fahren wir also trotzdem guten Mutes in die Lutherstadt Eisenach, holen uns Freitagnachmittag unsere Unterlagen ab und genießen die legendäre Kloßparty: Gulasch mit zwei Thüringer Klößen und Rotkraut – das Vorbereitungsessen der Champions!

Wie immer treffen wir Bekannte: vor der Startnummernausgabe das Ehepaar Bleichner, die wir beim Obermainmarathon kennengelernt haben und Mike, den wir vom Transalpine kennen (sein damaliger Partner und „Rennsteigläufer“ Thomas läuft den Marathon und wird in Neuhaus am Rennweg starten). Mike wurde von einer Zecke gebissen und muss sich mit Antibiotika vollstopfen – auch keine guten Voraussetzungen für einen optimalen Lauf – das sollte ihn aber nicht weiter behindern.

Danach geht es zügig zurück ins Hotel, Säcke mit der Wechselkleidung im Ziel packen und Zeitmesschip befestigen – Floh darf zum zweiten Mal seinen tollen BMW-Chip aus Frankfurt benutzen. Und dann heißt es ab ins Bett, denn der Start ist am Samstag schon um 6:00 Uhr früh, also Aufstehen um kurz vor 4:00!

Flohs Wecker geht falsch und weckt uns schon um 3:30 – na toll! Das Hotel bietet Frühstück ab 4:30 an, aber es gibt schon um 4:15 was. Der Frühstücksraum füllt sich zügig und wir schlagen gut zu, wird schließlich ein langer Tag (ich rechne mit einer Zeit um die 9 Stunden).

Vom Hotel sind wir in 5 Minuten am Marktplatz von Eisenach, auf dem sich bereits viele Läufer mit ihrer Begleitung eingefunden haben: 2249 Läufer sind beim Supermarathon am Start! Wieder treffen wir Bekannte vom Transalpine, die scheinen heute alle hier mitzulaufen. Floh ist nervös und hat Schiss, aber ich beruhige ihn: das schaukeln wir schon. Ich bin extrem zuversichtlich, denn ich kenne die Strecke gut und weiß, dass sie außer der Länge von 72,7 km keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Und auch die knapp 1500 Höhenmeter sind für diese Streckenlänge nicht sonderlich viel. Allerdings müssen zwei Drittel davon bereits auf den ersten 25 Kilometern überwunden werden, es heißt also kräfteschonend anzufangen.

Zu den Klängen des Rennsteiglieds geht es pünktlich los. Wir sind relativ weit vorn dabei und sparen uns dadurch auch die Staus an den ersten Engstellen. Floh bremse ich erst mal ab. Wir laufen betont zurückhaltend die erste Steigung nach einem knappen Kilometer durch den Ort hoch. Das Wetter sieht ganz gut aus, zwar stark bewölkt, aber Regen soll es erst am späteren Nachmittag geben.

Wir passieren Kilometer 6 und ich sage Floh, er soll mal kurz zurück schauen: von dort hat man einen wunderbaren Blick auf die Wartburg hoch über Eisenach (wir sind bereits höher).

Einen Kilometer weiter wartet bereits die erste Versorgungsstelle auf uns. Die Versorgungsstellen sind beim Rennsteig so dicht gesetzt, dass man wirklich keinen Trinkrucksack dabei haben muss (trotzdem laufen ganz viele mit Rucksack). Kurz danach wartet auch schon Kerstin auf uns. Sie wird heute 7-mal an die Strecke kommen! Sie wird plötzlich von einem „fremden“ Läufer umarmt: es ist Georg Hilden, den wir aus Gondo 2011 kennen und der heute mit Peter Wendelgaß läuft (auch aus Gondo bekannt).

Wir sind 2 Minuten später da. Kurzes Foto und weiter geht’s. Bisher läuft es wie am Schnürchen. Wir überholen bereits die ersten Traditionsläufer: zum 37., bzw. 40. Mal Rennsteiglauf – sagenhaft!

Kilometer 10 kommt schneller, als wir gedacht haben und kurz darauf sind wir bereits an der zweiten Verpflegungsstelle „Ascherbrück“, wo Kerstin schon wieder wartet.

Es läuft prima! Wir sind deutlich schneller als gedacht, obwohl es beständig bergauf geht. Ich frage mich schon, ob das gut gehen kann. An der dritten Versorgungsstelle „Glasbachwiese“ sind wir fast zu früh für Kerstin, sie kommt gerade erst die Straße hoch. Floh lässt sich den ersten Schleim schmecken. Der Rennsteig ist berühmt dafür: dünn angerührter Haferschleim mit Zucker oder Fruchtsaft. Schmeckt erstaunlich gut und beruhigt den Magen, ein guter Gelersatz.

18 Kilometer sind geschafft. Wir haben das Gefühl, wir wären gerade erst gestartet. Auf dem Weiterweg bergauf Richtung großer Inselsberg schiebt sich bei einem kurzen Bergabstück eine junge hübsche Läuferin an uns vorbei. „Na, geschlossene Zweierformation?“ ruft sie uns zu. Da es aber gleich wieder bergauf geht, wo sie dann in den Gehschritt wechselt, haben wir sie sofort wieder eingeholt und kommen ins Gespräch. Sie heißt Elisabeth und ist total nett.

Elisabeth macht dann auch gleich ein schönes Bild von uns beiden. Es soll heute den ganzen Tag so gehen: bergauf laufen wir ihr davon, bergab holt sie uns immer wieder ein.

Aber erst mal steigen wir zum großen Inselsberg auf, mit 910 Metern der zweithöchste Punkt des Laufs. Es geht durch dichten Nebel hoch und oben sind die dort stehenden Funkmasten überhaupt nicht zu sehen. Es ist eiskalt und feucht und so halten wir uns gar nicht weiter auf. 25 km und 1000 Hm sind in etwas über 3 Stunden geschafft.

Bergab kommt jetzt der steilste Kilometer der Strecke, erst über Treppenstufen, dann auf einem schlecht asphaltierten Weg runter zur großen Verpflegungsstation „Grenzadler“, wo Kerstin wieder auf uns wartet.

Wir haben das steile Stück gut überwunden. Sowohl mein Fußgelenk, als auch Flohs Hüfte zwicken zwar ein Bisschen, aber noch ist alles gut. Wir versorgen uns gut mit Schleim, Wasser, Iso und Cola, verschmähen aber die Wurst- und Schmalzbrote. Die Versorgung am Rennsteig ist legendär. Es gibt kaum einen Wettkampf, wo eine größere Auswahl angeboten wird. Cola gibt es zum Beispiel an jeder einzelnen Versorgungsstelle! Und die letzten 3 Versorgungsstellen führen sogar Bier!

Wir laufen schön locker weiter bis zur Ebertswiese, mit 37,4 km ungefähr die Hälfte des Weges. Hier gibt es wieder alles, unter anderem auch Wiener Würstchen, an die ich mich allerdings auch heute nicht ran traue. In 2011 ging es mir hier ziemlich dreckig und mir wurde vom Geruch der Wiener fast schlecht, aber heute bin ich super gut drauf, trotzdem ist mir das zu riskant, ich bin ja nicht Angela (die auf den Ultras alles isst).

Jetzt sind auch bereits die Wanderer mit auf dem Weg. Zwei Wanderstrecken werden beim Rennsteiglauf angeboten. Im weiteren Verlauf bis zum Grenzadler werden wir ihnen immer wieder begegnen. Elisabeth ist übrigens nirgends zu sehen und ich hab keine Ahnung, ob sie vor oder hinter uns ist (sie ist hinter uns, wie wir später feststellen). Flohs Hüfte schmerzt nun doch schon etwas und er muss ausführlich dehnen. Wir sind seit etwas weniger als viereinhalb Stunden unterwegs; eine Zielzeit von unter 9 Stunden wird zusehends unwahrscheinlicher.

Vorbei am 40 km Schild kommen wir zur Versorgungsstelle „Neue Ausspanne“, an der wir wieder unseren treuesten Fan Kerstin treffen und uns auch Elisabeth wieder einholt.

An jeder Versorgungsstelle steht ein Zuschauer mit einem Schild, auf dem jedes Mal ein anderer Spruch steht. Diesmal steht drauf „Wenn’s gar nicht mehr geht, einfach locker weiter laufen“. Sehr gut fand ich auch „Laufen bis es nicht mehr geht, dann gehen bis es wieder läuft“. Klasse!

Wir gehen erst mal gemütlich ein Stück mit Elisabeth und unterhalten uns. So erfahre ich, dass sie auch Triathlon macht und schon eine Langdistanz geschafft hat. Alle Achtung! Man merkt es ihr beim Laufen an: so einen kraftsparenden, lockeren Schritt haben fast nur Triathleten. Die Marathonmarke passieren wir nach knapp 5 Stunden, bald darauf markiert das 45 km Schild Neuland für Floh (er ist noch nie so weit gelaufen) und nach 6:39 laufen wir am Grenzadler bei Oberhof ein. Floh leidet nun immer mehr, aber an einen Ausstieg (was hier nach 54,7 km möglich wäre) denken wir natürlich nicht. Kerstin ist nicht da, was mich sehr wundert und ich hoffe, es ist nichts passiert. Elisabeth ist nun auch nicht mehr zu sehen, die scheinen wir abgehängt zu haben.

In Oberhof ist der Start des Halbmarathons und so begleiten uns jetzt neben unseren Schildern auch die Halbmarathon-Schilder. Übrigens stehen einige unserer Schilder falsch, aber wir haben ja unsere eigenen Messgeräte dabei.

Hinter dem so genannten „Rondell“, einer geschwungenen Fußgängerbrücke über die Bundesstraße (darunter verläuft der Rennsteigtunnel der A71) steht dann doch wieder Kerstin. Sie hatte es wegen der vielen Straßensperren nicht zum Grenzadler geschafft. Ich bin wieder beruhigt.

Nachdem Kilometer 60 auch geschafft ist, machen wir uns an den letzten Aufstieg zum höchsten Punkt der Strecke: der große Beerberg, der mit 982 Metern auch gleichzeitig der höchste Punkt des Thüringer Waldes ist (wir kommen aber nur auf 974 Meter). Hier ist Planckners’s Aussicht, ein Aussichtsturm, der dieses Jahr die Rückseite der Finishermedaille ziert. Die Veranstalter haben sogar etwas Schnee hierher gekarrt.

Ab hier geht es fast nur noch bergab. Ich könnte jetzt zügig laufen, aber leider geht es bei Floh fast überhaupt nicht mehr. Er ist so langsam, dass ich immer ein paar hundert Meter vorweg laufe und dann auf ihn warte. Der arme Kerl muss sich ziemlich quälen, aber wie das so ist: lieber tot umfallen, als nicht ins Ziel kommen. Er ist schon ein harter Hund!

An der Versorgungsstelle „Schmücke“ erinnere ich Floh an sein Versprechen: wenn er bis hierher kommt, trinkt er ein Bier mit. Wir leeren zusammen einen Becher und weiter geht‘s.

Eine Weile laufe ich mit einem Teilnehmer zusammen, der auf dem Rücken eine Strichliste angesteckt hat: er ist zum 38. Mal dabei und läuft total locker. Ich erinnere mich an ihn: 2007 haben wir uns vor dem Start mit ihm unterhalten.

Das 70 km Schild kommt leider genau einen Kilometer später als erwartet. Floh ist schon etwas verzweifelt und ich muss ihn ziemlich motivieren, überhaupt weiter zu machen. Nach einem längeren Downhill muss ich einige Minuten auf ihn warten und mich wundert total, dass Elisabeth uns noch nicht überholt hat. Wie ich so daran denke, kommt sie auch schon angelaufen und ist selber total überrascht, mich zu sehen. Dass sie Floh überholt hat, hat sie wohl gar nicht gesehen.

Einen Kilometer vor dem Ziel beißt Floh noch mal alle Zähne zusammen, die er hat und gibt Gas – ich kann kaum folgen. Den letzten leichten Hügel jagen wir hoch und weil Elisabeth dort geht, überholen wir sie wieder. Sie feuert Floh noch kräftig an. Später meint Floh, das hat er mir zuliebe gemacht. Nach genau 9:22:22 laufen wir gemeinsam ins Ziel. 50 Meter vorher läuft noch Georg Hilden auf uns auf und kommt ebenfalls in 9:22:22 ins Ziel (Peter Wendelgaß kommt erst nach 10:37:21 ins Ziel). Floh ist erledigt und während er sich erst mal hinschmeißt, begrüße ich Elisabeth, die das Ziel kurz nach uns, aber mit der besseren Nettozeit von 9:22:18 erreicht.

Nach einer kurzen Verschnaufpause kann Floh auch schon wieder stehen und sich seine Medaille abholen. Später kommen dann noch die Finisher-Shirts (die man nur bekommt, wenn man es auch geschafft hat) und ein herrliches Köstritzer Schwarzbier.

Wider Erwarten ist das Wetter in Schmiedefeld sehr gut. Kam in den letzten 2 Stunden auf der Strecke immer öfter die Sonne raus, so scheint sie jetzt von einem fast wolkenlosen Himmel. Das macht natürlich viel mehr Spaß als Regen. Und so sind wir alle sehr zufrieden: Floh, weil er sich durchgebissen hat, ich, weil ich zum ersten Mal einen Ultra ohne Einbruch durchlaufen konnte und Elisabeth, weil sie es trotz eines Durchhängers im letzten Drittel noch gut geschafft hat. Wäre Floh gesund gewesen – vielleicht wären wir eine halbe Stunde schneller gewesen. Aber wer weiß das schon!

Ich bin auf Platz 1348 und 140 in meiner Altersklasse gekommen. Floh steht auf Platz 1346 (Georg Hilden hat sich zwischen uns geschoben) und 56 seiner Altersklasse. In der Studentenwertung kommt er auf Platz 10. Elisabeth schafft bei den Frauen Platz 219 und wird 16. ihrer Altersklasse. Insgesamt schaffen es 1769 Männer und 378 Frauen ins Ziel. Damit mussten lediglich 102 Teilnehmer aufgeben, bei einer solchen Streckenlänge ein super Ergebnis. In 2007 bin ich 8:37:37 und 2011 9:39:06 gelaufen.

Übrigens hab ich mit meiner Suunto Ambit 73,6 km und 1800 Hm gemessen. Für gewöhnlich misst die sehr genau und nachdem das Wetter besser wurde, mithin also der Luftdruck eher gestiegen ist, hätten es eher weniger Höhenmeter sein müssen. Unabhängig von mir haben viele andere das gleiche Messergebnis (auch Floh mit seiner Garmin). Es liegt also schon der Verdacht nahe, dass die Angaben des Veranstalters nicht ganz richtig sind und es gab ja auch ein paar Streckenänderungen.

Aber egal. Wir genießen eine schöne warme Dusche und danach eine Thüringer Bratwurst, fachsimpeln ein wenig mit der Drittplatzierten Frau vom Marathon (Christina Rottenbach, 3:18:55), die eine spezielle Medaille hat, weil sie zweite ihrer Altersklasse geworden ist  und treten dann die Rückreise nach Eisenach an. Der „Rennsteigläufer“ Thomas schafft den Marathon in phantastischen 3:06:00 als 23. Mike erreicht das Ziel des Supermarathons nach tollen 7:35:55 (Platz 382). Und die Bleichners? Angela kommt nach 9:52:06 als 270. Frau ins Ziel. Franz musste leider am Grenzadler aussteigen.

Aber die absolut beeindruckendste Leistung liefert der Sieger und Lokalmatador Christian Seiler: nicht nur, dass er zum dritten Mal gewinnt (und damit sowohl den Halbmarathon, als auch den Marathon und den Supermarathon jetzt jeweils dreimal gewonnen hat), er verbessert seinen bisherigen Streckenrekord um satte 20 Minuten und unterbietet mit 4:50:56 zum ersten Mal die 5-Stundenmarke. Der Zweitplatzierte braucht ganze 50 Minuten länger. Wäre Christian Seiler 12,5 km vor Eisenach gestartet – er hätte trotzdem gewonnen! Eine unglaubliche Leistung!

Wir übernachten noch mal in Eisenach und fahren am nächsten Tag schön gemütlich und bei bestem Wetter nach Hause, nicht ohne bei einem kurzen Stopp in Coburg die berühmten Coburger Bratwürste zu essen – vielleicht zum letzten Mal, denn es soll verboten werden, sie über Kiefernzapfen zu grillen (krebserregende Stoffe). Dann sind sie zwar gesünder, aber schmecken eben nicht mehr so gut.