Etappe 2: Ehrwald – Imst

Das Wetter soll ja jetzt von Tag zu Tag besser werden und tatsächlich: die Berge sind zwar noch wolkenverhangen, aber es ist trocken – und ziemlich kühl.

Martin startet heute nicht. Er hat einen geschwollenen Zeh und möchte nichts Schlimmeres riskieren. Er fährt heute mit Horst mit. Kati studiert die neuen Zeitlimits auf der Ausweichstrecke. Eigentlich wäre der zweite Tag der anspruchsvollste geworden. Er ist immer noch hart genug und das Höhenprofil sieht fast genauso aus wie im Original, aber es sind eben 6 km und 300 Höhenmeter weniger – das macht schon was aus! Trotzdem sind 39 km und 2400 Höhenmeter nicht zu verachten.

Heute werden die Teilnehmer gemäß ihrer Zeit vom ersten Tag in 3 Startblöcke aufgeteilt. Ich bin natürlich im Letzten. Das macht aber gar nichts, denn ich starte sowieso lieber ganz hinten, um nicht gleich in den ersten Minuten zu schnell laufen zu müssen. Deshalb stehe ich auch wenige Minuten nach dem Start mit Kati bereits im Stau vor einer engen Brücke. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn der folgende Weg führt zunächst durch einen schönen Wald (mit einer matschigen Wiese) und dann auf einem breiten Fahrweg leicht wellig bis nach Biberwier. Da kann jeder problemlos sein eigenes Tempo laufen. Die Oberschenkel sind noch ziemlich verhärtet vom Vortag und so lasse ich es ruhig angehen. Nach nur 3 km ziehe ich die Jacke aus, weil mir zu warm wird. Heute brauche ich die Jacke bis ins Ziel gar nicht mehr.

Vorbei am „McTirol“ in Biberwier wird es dann ernst: es geht neben und auf der Skipiste steil nach oben. Vor 2 Jahren ging die Streckenführung noch in Serpentinen nach oben. Das hat damals niemanden interessiert und alle sind den direkten Weg gegangen, also wird diesmal der Weg gleich direkt nach oben geführt. Ich finde das zwar nicht so toll, aber selbst hier wird noch abgekürzt, was das Zeug hält. Ich verstehe das nicht, laufe alle Kurven aus und bin auch nicht langsamer als alle anderen – aber mit Sicherheit ist das nicht so anstrengend für mich!

Wir müssen zunächst nur auf 1850 Meter hoch (die Grünsteinscharte wären 2272 m gewesen). War die erste Versorgungsstelle vor 2 Jahren noch hinter dem Gipfel gewesen, so ist sie heute 500 Meter vorher – ich bin ganz überrascht, das Ankündigungsschild zu sehen. Wahrscheinlich soll der anschließende Downhill durch nichts mehr unterbrochen werden …

Der Downhill ist wieder allererste Sahne und genau das Richtige für mich: anfangs noch ein breiter Fahrweg, aber dann ein enger Pfad mit einigen schwierigen Stellen, wo ich wieder einige andere Läufer hinter mir lasse, die mich diesmal freundlicherweise immer sofort überholen lassen. Ich habe den ersten Hügel doch wieder unterschätzt und Kerstin eine viel zu frühe Zeit für die zweite Versorgungsstelle gegeben. So gebe ich nach dem schwierigen Singletrail auf dem folgenden einfachen Waldweg ziemlich Gas (Tempo von deutlich unter 6 Minuten) und komme schließlich nach 2:45 an. Kerstin wartet schon ganz lange und hat alle bekannten Gesichter, die vor mir sind, bereits abgelichtet.

Ich versorge mich sehr ausführlich, denn ich weiß: das wird jetzt ein weiter und anstrengender Weg bis zur letzten Versorgungsstelle! 14 km und 1300 Höhenmeter warten auf mich. Während Kerstin noch auf die Nachzügler wartet (Kati kommt etwa 30 Minuten nach mir an), mache ich mich auf den Weg.

Es folgt wieder an langer, steiler Aufstieg. Die Wege sind vom Vortag noch ziemlich weich und schlammig, aber aufgrund der heutigen trockenen Witterung hält sich das in Grenzen. Ab und zu spitzt sogar die Sonne durch und mir ist warm. Auf halber Strecke zur Haiminger Alm kommt endlich die kleine Wasserstelle, auf die ich schon sehnsüchtig gewartet habe, denn mein Trinken im Rucksack ist schon ziemlich warm geworden und erfrischt nicht wirklich.

Nach dem Haiminger Alm schraubt sich der Weg weiter hoch, durch dichte Kiefernbüsche in Richtung Haiminger Kreuz, das mit 2203 Metern heute unser höchster Punkt sein wird. Aber vorher tobt von hinten ein ganz schneller Läufer an. Wer hat denn jetzt noch so viel Energie?? Es ist Horst, der an der Versorgungsstelle eingestiegen ist und jetzt die restliche Strecke ins Ziel außer Konkurrenz mitläuft. Nach einem kurzen Pläuschchen ist er weg. Der Weg zieht sich endlos über den Bergrücken. Immer wenn man glaubt, oben zu sein, sieht man das Ziel mit dem Kreuz in weiter Ferne. Vor mir 3 Läufer vom Team Israel, die mich immer wieder ziemlich nerven, denn sie lassen niemanden überholen und hier kann man nicht seitlich vorbei huschen. Irgendwann packe ich sie doch noch, aber der Ärger über so viel Rücksichtslosigkeit bleibt noch eine ganze Weile.

Er verfliegt erst, als ich endlich das Gipfelkreuz erreiche und weiß: jetzt geht es (fast) nur noch bergab bis ins Ziel.

Im ersten Teil des Abstiegs kommt die einzige gefährliche Stelle der gesamten 4Trails. Es ist eine leichte Kletterstelle, an der die Bergwacht mehrere Posten platziert hat und außerdem ein Fixseil eingelegt hat. Ich brauche es nicht und bin ziemlich schnell durch diese Stelle durch.

Als nächstes kommt die Abzweigung, an der vor 2 Jahren der Führende der Gesamtwertung mit Tunnelblick geradeaus gelaufen war und damit den Gesamtsieg verspielt hatte. Diesmal wurden auf dem Boden eindeutige Hinweise gesprüht.

Der Downhill ist lang und steil: 1500 Höhenmeter auf knapp 11 km. Ich lasse es wieder laufen und überhole diverse Läufer vor mir. Als der Singletrail aufhört und in einen breiten Fahrweg übergeht, bin ich denn auch ziemlich k.o.

In einem kleinen Dorf, durch das wir durch müssen, steht ein Kranwagen über die gesamte Straßenbreite. Wir müssen unter den Auflegern durch, die ca. 1,60 Meter hoch sind. Das ist fast die gefährlichste Stelle am heutigen Tag, denn an diesem Stahlträger möchte ich mir nicht den Kopf stoßen!

Kurz vor dem Ziel geht es über eine Wiese und ich weiß, was für eine Schikane jetzt kommt: 200 Meter steil bergauf über die Wiese.

Oben wartet Horst auf mich und begleitet mich noch bis zum eigentlichen Zieleinlauf, wo Kerstin schon wieder viele bekannte Gesichter begrüßt hat. Hier lernt sie auch Marina kennen, deren Mann Detlef noch etwas verrückter ist als ich: neben dem Zugspitz-Ultra vor wenigen Wochen und jetzt den 4Trails wird er auch noch am Transalpine im September teilnehmen. Heute kommt er 18 Minuten vor mir ins Ziel.

Geschafft! Mit 7:27:18 war ich schon wieder schneller als vor 2 Jahren (11 Minuten) und komme auf Platz 36 von den verbliebenen 50 in meiner Altersklasse. Ich bin wieder hochzufrieden! Ich versorge mich mit Wasser, Iso, Wassermelone und Wurstbrot und nach etwa 30 Minuten gehen wir zu unserem Hotel, wo Stunden zuvor schon ganz viele Taschen angeliefert wurden.

Bei der Pastaparty gibt es heute sehr leckere Lasagne und die ortsansässigen Heimatvereine zeigen uns diverse traditionelle Tänze, bevor die Siegerehrung und die Bilder des Tages kommen.

Wieder hat Dimitris Theodorakakos gewonnen und wieder ist Iker Carreras nur Zweiter geworden (um wenige Minuten, er sieht auch ziemlich angefressen aus). Tina Fischl kommt heute auf Platz 2 und muss sich der Spanierin Nuria Picas vom Team Buff geschlagen geben, die ihr 25 Minuten abnimmt.

Leider schafft es Kati heute nicht mehr rechtzeitig zur letzten Versorgungsstelle. Als sie dort 17 Minuten zu spät ankommt, ist sie aus dem Rennen und kann auch nicht mehr bis ins Ziel laufen (obwohl die Strecke sehr einfach gewesen wäre), weil die Markierungen bereits abgebaut sind. Schade, denn Kati hätte heute locker noch die Zielschlusszeit schaffen können: von der 3. Versorgungsstelle bis ins Ziel hätte sie noch 1:13 Zeit gehabt – mehr als genug für die 7,5 km. Allerdings treffe ich am nächsten Tag eine Läuferin, die die Zeitlimits zwar geschafft hat, für dieses letzte Stück aber auch die eineinhalb Stunden gebraucht hat, weil sie nur noch gehen konnte. An solche Läufer muss der Veranstalter eben auch denken und das ist heute Katis Pech. Entsprechend ist der Abend mit ihr auch nicht mehr so lustig, aber wer will ihr das verdenken?

In der Hoffnung auf ein noch besseres Wetter am nächsten Tag geht es wieder früh ins Bett.

Und dann folgt Etappe 3.