Der vierte Tag ist die Königsetappe: fast 45 km und 2.850 Hm. Höchster Punkt auf 2.787 Metern. Verläuft quer durch das Skigebiet Fiss/Serfaus, zum Teil weglos. Wie hat der Streckenchef Christoph beim Briefing am Vorabend gesagt: dort gibt es nichts mehr, nur noch den 4 Trails. Wir sind alle gespannt, was uns erwartet. Aber alle sind auch sehr zuversichtlich und guter Dinge. Drei Tage haben wir geschafft. Schaffen wir den vierten auch noch!
Bei der Rucksackkontrolle hakt heute Uta persönlich alle Starter ab. Nicht dass wir jemanden vergessen.
Im vorderen Teil des Startblocks machen sich die Führenden bereit und um 7:00 geht es auch schon wieder los. Auf zum letzten Gefecht!
Nur ein knapper Kilometer zum Einrollen, dann geht es auch schon wieder hoch. Christoph steht an der Strecke und meint „jetzt geht’s ein Stück hoch“. Witzig! 1600 Hm liegen auf den nächsten 10 km vor uns. Das wird eine lange Wanderung. Nach ein paar Kilometern das erste Schild „40 km to go“ – wollte ich das jetzt wirklich wissen?
Kai ist mir zu schnell, ich will es langsam angehen lassen und schließe mich zwei anderen Läufern an, eine aus Norddeutschland und ein Amerikaner. Sie ist schon den Transalpine gelaufen und auch sie bestätigt, was mir schon andere gesagt haben: der 4 Trails ist wesentlich anspruchsvoller – längere Etappen, steiler, mehr Höhenmeter, schwieriger zu laufen.
Immer wieder kommt Nebel auf. Es ist relativ kühl. Wir laufen (ich meine: gehen) auf schönen Wegen immer weiter hoch. Das letzte Stück geht es wieder mal eine Skipiste hoch. Hab ich schon erwähnt, dass ich Skipisten hasse? Sie sind sausteil, haben einen weichen Untergrund und werden zum Ende hin immer steiler. Wir kommen kurz vor dem Gipfel an einem Schild vorbei: „Speedstrecke“ steht da drauf. Ha – aber nicht für uns!
Kai hole ich einige Kilometer vor dem Gipfel wieder ein. Oben angekommen sind wir völlig überrascht, nur 2:45 hier hoch gebraucht zu haben (Zeitlimit liegt bei 5:15). Da immer noch ziemlicher Nebel herrscht und es saukalt ist, ziehen wir uns für den weiteren Weg die Jacken an – das erste und einzige Mal in diesen 4 Tagen.
Kurze Zeit später ist uns schon wieder warm und wir können die Jacken wieder ausziehen. Jetzt geht es durchs Skigebiet. An den Liftstationen sind normale Urlauber, die uns überrascht anschauen. Wir ziehen weiter in immer größere Höhen und unwegsames Gelände. Einmal müssen wir unter einem elektrisch geladenen Viehzaun durch. Mein nasser Po streift den Zaun und es katapultiert mich förmlich nach vorne. Verdammt, das hat wehgetan!
Der nächste Streckenabschnitt liegt mir sehr: technisch anspruchsvoll, aber für mich sehr gut zu laufen. Auch die ersten zu querenden Schneefelder kommen nun. Es geht an malerischen Wasserspeichern vorbei und dann ist es endlich geschafft: an der Ochsenscharte auf 2787 Metern Höhe erwartet mich Christoph, der Streckenchef. Er freut sich über jeden, der heil hier hoch gekommen ist. „Gut siehst Du aus“, meint er, „jetzt kann nichts mehr passieren, höchstens dass man sich beim Bergablaufen den Fuß verknackst“. Ach so, aber darauf kann ich auch verzichten.
Ich bin überrascht, dass mir die Höhe nicht viel ausmacht. Es geht mir tatsächlich relativ gut und Kai hab ich auch wieder hinter mir gelassen, wenn auch nicht allzu weit. Der Downhill beginnt mit einem großen Schneefeld. Wie gut, dass ich beim letzten Trailrunningcamp das Schneelaufen geübt habe. Begeistert stürze ich mich mehr rutschend als laufend in die Tiefe. Andere Läufer haben es viel schwerer, weil ihre Schuhe nicht so gut greifen wie meine Speedcross – die sind ideal für das hier.
Im weiteren Verlauf des Downhills kann ich es mal so richtig krachen lassen. Es ist steil und technisch – genau das Richtige für mich! Ich überhole einen Läufer nach dem anderen. Schließlich mündet der Trail in einen steilen Forstweg, den ich runter heize. Als nach 7 km (und 1000 Hm) die letzte Versorgungsstelle an der Schweizer Grenze auftaucht, sind die Oberschenkel schon wieder ganz schön angespannt. Nach einer kurzen Rast geht es auf einem breiten Forstweg relativ eben weiter in Richtung Samnaun und Ziel des 4 Trails. Noch 8 km und am Wegesrand ein Schild mit der Aufschrift „Nur aufs Ziel sehen verdirbt die Lust am Reisen“. Wie wahr.
Es geht runter nach Compatsch und weiter nach Laret, wo wir in die Winkelgasse abbiegen müssen. Wenn das mal gut geht …
(wer jetzt gar nicht weiß, was ich meine, muss Harry Potter lesen)
Die letzten 5 km ziehen sich. Immer wieder sind Steigungen zu überwinden. Ich kann da einfach nicht mehr laufen und werde tatsächlich noch von ein paar Läufern überholt. Es geht aufwärts bis zum Ziel. Aber dann sagt einer „ab da vorne können sie Dich schon vom Ziel aus sehen, da musst Du dann laufen“, also beiß ich die Zähne zusammen und laufe die letzten paar 100 Meter ins Ziel. Uta und Kerstin warten schon.
Geschafft! 8:35 für den letzten Tag. Total verrückt. Kurz nach mir kommt Kai. Auch er ist total erledigt, aber glücklich.
Für die 4 Tage mit ihren über 155 km und 9.500 Hm habe ich also insgesamt 28:54 benötigt, was mir Platz 26 (von 42) in der Altersklasse „Senior Master Men“ gebracht hat. Michi war mit 27:12 gute eineinhalb Stunden schneller, Kai mit 29:15 unwesentlich langsamer. Der Gesamtsieger ist der erst 21-jährige Deutsche Philipp Reiter, der die 4 Tage in 16:05 gemeistert hat – unglaublich! Und der älteste Teilnehmer hat es mit 68 Jahren immerhin auch noch in 35:58 zu Ende gebracht. Von den rund 350 Startern haben etwa 280 das Ziel erreicht. Ein ganz schöner Schwund, aber das ist eben auch kein Spaziergang.
Die abschließende Pasta Party ist ein großes Fest. Jeder Finisher wird einzeln aufgerufen und erhält sein Finisher-Shirt. Wir sind alle mächtig stolz auf das, was wir in den letzten Tagen geschafft haben.
Fazit: das war eine harte Angelegenheit, aber insgesamt wunderschön und eine tolle Erfahrung. Die Organisation war absolute Spitze, von der Streckenmarkierung (jeden Morgen läuft einer zwei Stunden vor dem Start los und kontrolliert noch mal die gesamte Markierung!) über die Streckenversorgung und die Sicherung (die Rennärzte waren überall), aber auch beim absolut zuverlässigen Gepäcktransport von Hotel zu Hotel und beim Shuttleservice für die Läufer, die etwas weiter weg gewohnt haben. Besser geht’s nicht. Plan B wirbt damit, dass wir Läufer uns nur um das Laufen, Essen und Schlafen kümmern müssen, alles andere macht Plan B. Und genau so ist es! Danke, Plan B, für ein super Erlebnis.