Zeiler Waldmarathon 11.11.2023

Vier Marathons bin ich dieses Jahr schon gelaufen, zwei weitere müssen es noch sein, damit ich mich in aller Ruhe auf meinen 100. Marathon nächstes Jahr im Frühjahr vorbereiten kann (die Ultras zähle ich hier mit). Nachdem der Ötztal-Gletschertrail schiefgelaufen ist, hab ich mich dazu entschlossen, den Zeiler Waldmarathon zu laufen, der einer der letzten Marathons des Jahres in Deutschland ist. 2014 bin ich hier mal den Halbmarathon gelaufen (in 2:08), für den Marathon muss man zwei Runden absolvieren. Die Strecke befindet sich ausschließlich auf Waldwegen im Naturpark Haßberge und jede Runde hat laut Ausschreibung 420 Höhenmeter. In Summe also 840 Hm und das ist praktisch genauso viel wie beim Rennsteigmarathon, den ich im Mai gelaufen bin. Damals hab ich 5:28 gebraucht und dieses Mal bin ich ganz bestimmt nicht schneller – ja, ich bin mir gar nicht so sicher, ob mir die Maximalzeit von 6 Stunden reichen wird.

 

Zeil am Main ist eine gute Autostunde von uns entfernt und der Start ist um 10 Uhr, also ist keine Übernachtung notwendig. Bei strömenden Regen und 5°C fahren wir nach Zeil und sind schon um 8:20 Uhr da, sodass wir noch einen Parkplatz direkt vor der Schule bekommen, wo es die Startnummern gibt.

Ausrichter des Laufs sind die Roten Teufel vom TV Zeil und leider übersteigt die Miete der Schulaula mittlerweile die finanziellen Möglichkeiten des Vereins, sodass es tatsächlich nur noch die Startnummernausgabe im Vorraum gibt. Auch eine Siegerehrung wird es nicht geben. Die jeweils 3 besten Männer und Frauen der Halb- und Marathonwettbewerbe können sich hinterher lediglich hier einen Präsentkorb abholen. Für jeden Finisher gibt es hinterher eine Flasche Wein.

 

Das ist sehr schade, war es doch früher eine angenehme Atmosphäre, in der Aula vor dem Start noch bei Kaffee und Kuchen mit anderen Läufern zu fachsimpeln und die Veranstaltung danach dort gemütlich ausklingen zu lassen. Mit dem Wegfall hat der Lauf jedenfalls einiges an Attraktivität eingebüßt. Schade, dass die Stadtverwaltung hier nicht mehr Entgegenkommen zeigt.

Der Startbereich ist ein gutes Stück entfernt mitten im Wald und ein Pendelbus bringt die Läufer dorthin. Der Regen hat zwar aufgehört, aber es ist immer noch sehr kalt und der Boden jetzt schon total schlammig. Das kann ja heiter werden! Ich unterhalte mich etwas mit Franz vom Team Bittel, der mir erzählt, dass Erwin Bittel (der „Mann mit dem Hut“), den ich früher oft getroffen hab, mittlerweile eine künstliche Hüfte bekommen hat und jetzt kürzertreten muss. Außerdem ist mit der Corona-Pandemie das Team praktisch auseinandergefallen.

 

An bekannten Gesichtern sind außerdem dabei: Dieter, der früher jedes Mal in Gondo am Start war und die letzten zwei Mal ausgesetzt hat, sowie der blinde Anton mit Roland als Guide. Beim Halbmarathon ist René am Start. Helene steht zwar auf der Startliste, hat sich aber wohl wetterbedingt gegen einen Start entschieden.

Der Marathonstart soll ja um 10 Uhr sein, verzögert sich aber um wenige Minuten. Offenbar fehlt noch ein Läufer. Aber schließlich geht es los. Ich finde mich sofort am Ende des Feldes wieder, bekomme das aber gar nicht mit. Mir fallen auch die beiden Mädchen als „Besenradlerinnen“ gar nicht auf. Man muss sich hier auch gut konzentrieren, denn es geht sofort bergauf. Ich kenn das ja schon aus 2014: die ersten 2,5 km gehen mehr oder weniger steil bergauf (gleich mal fast 150 Hm) und nachdem ich die ganze Strecke in einem sehr langsamen Tempo laufe, überhole ich schon wieder ein paar andere, die entweder noch langsamer laufen, oder gehen, wie auch Roland und Anton.

Der Veranstalter hat auf der gesamten Strecke Schilder mit motivierenden Sprüchen aufgestellt. Auf diesem Anstieg steht „Ist Dir kalt? Lauf im Zeiler Wald!!!“ Na ja …

Am Dreiländerstein ist der erste Anstieg bewältigt. Es geht nun auf einem Hochplateau weiter und mich wundert, dass es gar keinen Wind gibt.

Aber kurz darauf bei Kilometer 3 biegen wir rechts ab und jetzt bläst uns der eisige Wind direkt entgegen. Auf einer Wiese am Waldrand vorbei kommen wir wieder auf einen Waldweg, der uns kurz hinter Kilometer 4 zur ersten Versorgungsstelle und zur Abzweigung für die 7,5 km Walkingstrecke bringt. Neben der 7,5 km Strecke gibt es für die Walker auch noch den Halbmarathon. Die müssen also die gleiche Strecke ablaufen wie wir. An der Versorgungsstelle gibt es Wasser, Tee, Cola und Iso, sowie Bananen und Cracker – eine ziemlich gute Verpflegung, aber zu diesem Zeitpunkt nehm ich mir nur Wasser und etwas Iso. Das Iso schmeckt mir nicht, das werde ich ab jetzt verschmähen.

 

Im weiteren Verlauf queren wir die einzige Straße (von der Feuerwehr gesichert) und kommen an weiteren zwei Schildern vorbei: „Der Weg ist das Ziel“ und „Wenn es hinauf geht, geht es auch wieder runter“. Es ist eine wellige Strecke, wie das zweite Schild ganz richtig erklärt und Roland und Anton haben mich auf einem Bergabstück bereits überholt, denn ich muss mich wegen meiner Hüfte zurückhalten und kann auch bergab nicht so wahnsinnig schnell laufen.

Die erste Stunde ist schon rum, ich befinde mich bei Kilometer 8,5 und nun startet der Halbmarathon mit René. Leider fängt es wieder an zu regnen, mal mehr, mal weniger und es bleibt kalt. Zwischendrin kommt mal ein ziemlich steiler Anstieg, den ich nur noch gehen kann. Hier hab ich Roland und Anton noch im Visier, aber auf dem folgenden Downhill laufen sie mir endgültig davon.

Die nächste Versorgungsstelle bei Kilometer 10 ist sehr idyllisch neben einem See aufgebaut und mir tun die freiwilligen Helfer schon leid, die bei dieser ungemütlichen Witterung viele Stunden ausharren müssen (wir sind ja schließlich erst auf der ersten Runde). Es sind auch einige Kinder als Helfer dabei.

Ab hier steigt die Strecke auf einigen Kilometern an und das durchgehende Laufen fällt schon richtig schwer. Die Sprüche „Bunte Herbstbäume – schöne Läuferträume“ und „Laufgenuss im Herbstwald“ sind ja ganz nett, aber bei dem Wetter … Die Schafherde ist ein schöner Lichtblick. Kurz darauf teilt sich die Strecke und es geht auf eine kleine Schleife, die mir aus 2014 noch in guter Erinnerung ist, weil es hier wieder ordentlich bergauf geht.

 

Den Schildern „Keine Gnade für die Wade!“ und „Umdrehen wäre jetzt auch blöd!“ kann ich nur zustimmen. Immerhin ist schon mehr als die halbe (erste) Runde geschafft, der Wind sorgt gefühlt für Minustemperaturen und an der nächsten Versorgungsstelle (km 14) werden wir von sehr fröhlichen Helfern begrüßt, die mich mit einem „bis später“ verabschieden und „wir warten auf Dich!“. Das ist wirklich nett, denn ich bin einer der Letzten.

Und wieder ein heftiger Anstieg! „Du hast es selbst so gewollt!“ – ach wirklich?? Vor mir die Nummer 1113, das ist der Niklas, der mich noch länger begleiten wird.

Und kurz hinter Kilometer 15 passiert es: der erste HM-Läufer überholt uns bereits. Wir sind bei 1:50, er ist eine Stunde nach uns gestartet und bereits hier – Wahnsinn!

Da hilft auch das Schild „Schön, dass Du hier bist!!!“ nicht viel. Wir haben strömenden Regen, der Boden ist total aufgeweicht und ich bin heilfroh, Trailschuhe anzuhaben. Ich glaube, wenn ich nicht unbedingt den Marathon finishen wollte, würde ich nach einer Runde aufhören (man wird dann im Halbmarathonfeld gewertet).

 

Mein armer Superfan Kerstin muss im Zielbereich auf uns warten und sieht einen völlig schlammverspritzten ersten Halbmarathonläufer ins Ziel kommen.

1:17:34 hat er nur gebraucht. Zur gleichen Zeit ist Dieter mit seiner ersten Runde durch (hat aber eine Stunde länger gebraucht).

Und auch Franz kommt wenige Minuten später an.

Bei mir dauert es noch ein paar Minuten. „Lächle, im Ziel werden alle Strapazen vergessen sein!“

 

Ja, ja, nur dass wir noch lange nicht im Ziel sind! Yvonne ist mir etwas entgegen gegangen und trifft mich an der letzten (vorher der ersten) Versorgungsstelle.

Derweil kommen Roland und Anton ins Ziel der ersten Runde. Und nachdem ich das schöne Schild „Gönn Dir ein Göller“ passiert habe, bin ich auch da.

Eigentlich ist es besser gelaufen als erwartet. 2:32 hab ich für die erste Runde gebraucht, hab jetzt also fast dreieinhalb Stunden Zeit für die zweite Runde. Das sollte doch zu schaffen sein! Meine Kamera geb ich an Kerstin ab, denn es gibt jetzt eigentlich nichts Neues mehr zu fotografieren. Kurz versorgen und dann geht’s auf die zweite Runde.

Den Anstieg werde ich nun fast völlig gehen. Yvonne kommt mir entgegen und begleitet mich ein Stück. Nachdem es eine gefühlte Ewigkeit dauert, bis das 1 km Schild auftaucht, beschließe ich aber doch, wieder etwas zu joggen und verabschiede mich von Yvonne.

Nach 2:47:38 kommt der erste Marathonläufer ins Ziel. Zwei Läufer bleiben unter 3 Stunden!

Und René schafft den Halbmarathon in sehr achtbaren 2:10:41. Zu der Zeit befinde ich mich etwa bei Kilometer 25.

Es ist eine Schlammschlacht. Und für mich jetzt ein mentales Rennen, denn eigentlich bin ich schon ziemlich erledigt. Bergauf ist es jetzt nur noch ein Gehen, lediglich bergab kann ich noch rennen. Immer im Blick hab ich den Läufer mit der Nummer 1113, Niklas. Ich bin der Meinung, der letzte im Feld zu sein, sehe aber weit und breit kein Besenfahrrad. Das liegt daran, dass tatsächlich noch einer hinter mir ist, aber das weiß ich in dem Moment nicht und finde mich schon damit ab, heute den letzten Platz zu belegen. Das Wetter ist nun etwas besser geworden. Immer wieder kommt die Sonne raus und wärmt wenigstens ein bisschen.

 

Nach der Versorgungsstelle bei km 10 (jetzt 31), wo es so lange bergauf geht, zwinge ich mich, immer wieder kurze Abschnitte zu joggen und so komme ich Niklas immer näher. Kurz vor der letzten Schleife überhole ich ihn und hab somit gefühlt die rote Laterne abgegeben.

 

Ab Kilometer 35, wo wir uns an der vorletzten Versorgungsstelle wieder treffen, jogge und gehe ich ein ganzes Stück mit Niklas zusammen. Er kommt aus der Gegend und läuft hier tatsächlich seinen allerersten Marathon!! Da hat er sich ja einen ziemlich anspruchsvollen Lauf ausgesucht und er meint, er hat das auch erst nach der Anmeldung gemerkt, aber jetzt will er finishen. Das werden wir auf jeden Fall, denn für die letzten 6 km bleiben uns noch über eine Stunde Zeit.

Kerstin begrüßt derweil Dieter, der nach 4:37:08 das Ziel erreicht.

Und Roland und Anton schaffen es in 5:02:49.

 

Auf den letzten 4 Kilometern lass ich Niklas hinter mir. Mir geht es wieder etwas besser und er hat doch ordentlich zu kämpfen.

Dann kommt endlich das Ziel. Wie schön, dass man ins Ziel bergab läuft! Mittlerweile wird die Zeit nur noch handgestoppt, denn die Messmatte ist schon abgebaut. 5:40:37 steht auf der Uhr und ich hole mir meine hart erkämpfte Medaille ab.

Gute 3 Minuten später kommt Niklas in 5:43:56 an und danach kommt wirklich der letzte Läufer in Begleitung der Besenradlerinnen nach 5:44:49 ins Ziel.

Ich kann mich kaum noch bewegen. Die Zielverpflegung ist mager. Viel mehr als etwas warmer Tee ist nicht mehr vorhanden. Aber wenigstens haben wir letzte Läufer den Vorteil, dass der Pendelbus uns direkt aus dem Zielbereich zum Schulhaus fährt (sonst hätten wir noch knappe 10 Minuten Fußweg gehabt).

In der Sporthalle sind auch die Duschen. Die Schuhe bereits am Eingang auszuziehen, ist wirklich eine gute Idee. Die Duschen sind wunderbar warm und zusammen mit dem letzten Läufer haben wir sie für uns alleine.

 

Ich bin wirklich froh und stolz, es geschafft zu haben. Die Zeit spielt überhaupt keine Rolle. Übrigens habe ich 800 Höhenmeter gemessen (die Differenz zu den 840 Hm aus der Ausschreibung sind wahrscheinlich der Witterung geschuldet). Meinen Läuferwein bekomme ich auch noch und später treffen wir uns noch mit René und Yvonne zu einem gemütlichen Abendessen.