Gondo-Marathon 05./06.08.2023

Der 21.  Gondo-Marathon steht an, nur zwei Wochen nach dem missglückten Ötztal-Gletschertrail. Zusätzlich reise ich mit einem ziemlichen Manko an: in der letzten Woche hatte mich eine starke Erkältung geplagt und ich fühlte mich tatsächlich erst am Mittwoch wieder einigermaßen gesund. An Training war seit dem Gletschertrail gar nicht mehr zu denken.

 

Ich reise also mit recht gemischten Gefühlen nach Gondo an, freue mich aber auch, wieder viele bekannte Gesichter zu sehen und die gute Pastaparty am Freitagabend im Stockalperturm (in dem wir auch wieder übernachten) zu genießen.

Tag 1

Hat es am Freitag noch gewittert, ist das Wetter am Samstagmorgen super, es weht aber auch ein heftiger Nordwind – wir werden also ganz schön viel Gegenwind haben. Neben Wendel und Karl-Walter sind auch wieder mein Namensvetter Thomas, der halbe „Goms-Zwilling“ Josianne, Esther, Dagmar, die immer gut gelaunten Schweizer Freunde Beat und Hellmi, Andreas und viele weitere Mitstreiter dabei, die jedes Jahr kommen.

Brigitte erklärt wie immer mit großem Einsatz, wie die Strecke markiert ist und wo die Zeitlimits am Simplonpass (12 Uhr) und am Schratt (15 Uhr) liegen und dass letztere Zeit nicht ganz so eng gesehen wird. Und dann geht’s pünktlich um 8 Uhr auf die Strecke des ersten Marathons.

Ich bin dieses Jahr in die nächsthöhere Altersklasse „aufgestiegen“. Hatte ich erst gedacht, das wäre ein Vorteil für mich, muss ich nun feststellen, dass insgesamt 9 Läufer in dieser AK teilnehmen und einige extrem starke Läufer dabei sind (wie beispielsweise Ernst oder Christian, die mit ihren 69 Jahren noch sehr viel fitter sind als ich). Wird also auf keinen Fall etwas mit einem Podestplatz. Da hatte ich im letzten Jahr wirklich enormes Glück.

 

Ich starte also schön gemütlich im hinteren Teil des Feldes, denn es geht ja gleich richtig bergauf.

Nach etwa einem Kilometer verlassen wir die kurzzeitig für uns gesperrte Passstraße und laufen über, neben und unter der Straße auf dem abenteuerlichen Stockalperweg, der sogar durch einen Tunnel führt: dem im ersten und zweiten Weltkrieg errichteten Fort Gondo. Schöne Tiefblicke auf die reißende Diveria, dem Fluss durch die enge Gondoschlucht, inklusive.

 

Kerstin wartet bereits bei Kilometer 5 an einer geschwungenen Brücke und fotografiert nahezu alle Teilnehmer.

Der nächste Treffpunkt ist eine große Brücke bei Gabi, an der ich die vor mir laufende Esther einhole. Noch geht’s mir gut und ich kann fast alles im Laufschritt bewältigen.

Kerstin wird von Joana begleitet, einer Spanierin, die ebenfalls einen befreundeten Läufer am Start hat (Michael aus der Schweiz).

Das Wetter sieht super gut aus, es ist eine angenehme Temperatur, aber der Wind macht uns schon ganz schön zu schaffen. Immer wieder pustet er uns heftig ins Gesicht. Mal sehen, wie das dann weiter oben sein wird.

 

An der „Stairway to heaven“ kann ich noch ein Bild von Esther schießen, bevor wir dann gemütlich in Richtung Simplon-Dorf hinauf wandern (und zum Teil auch laufen).

Dort warten natürlich wieder Kerstin und Joana auf uns. Wegen des starken und kühlen Windes haben sie bereits ihre Jacken angezogen. Für uns reicht noch die Läuferkluft.

Heute ist es so kühl, dass ich noch nicht mal Wasser an den zahlreichen Brunnen fassen will. Die Versorgungsstellen, an denen es wieder alles gibt, was das Herz begehrt, reichen mir völlig. Esther muss ich irgendwann ziehen lassen, sie ist mir einfach zu stark und ich spüre immer mehr das fehlende Training. Ich stapfe durch Engeloch hoch, einer wirklich abenteuerlichen Kletterstelle. Danach kommen wir wieder kurz an die Straße und natürlich sind Kerstin und Joana zur Stelle.

So langsam nähern wir uns dem Simplonpass. Aber erst mal müssen wir an den imposanten Gebäuden des „Alten Spittels“ vorbei. Das turmartige Gebäude ist ein von Kaspar Stockalper im 17. Jahrhundert errichtetes Hospiz; das langgestreckte Gebäude daneben ist eine militärische Kaserne.

Kurze Zeit später erreichen wir dann den Simplonpass auf 2000 Metern Höhe (schon 17 km und 1300 Höhenmeter geschafft). Ich komme kurz nach 11 Uhr dort an, das Zeitlimit ist also kein Problem. Aber 3 Stunden für 17 km war auch ganz schön viel.

Ab hier ist auch Esthers Familie mit von der Partie und ich begrüße den Rennarzt Pablo. Nach einer kurzen Rast (leider gibt es keine Gels mehr) ziehe ich meine Jacke an, denn mit dem Wind wird es schon empfindlich kalt und dann geht es weiter aufwärts zum Bistinenpass.

Noch sind Wendel, Beat und Hellmi hinter mir (nicht mehr lange). Karl-Walter hat eine Lauffreundin im Schlepptau, die heute nicht fit genug ist und beendet am Simplonpass den Lauf. Schade für ihn!

 

Ich kämpfe mich weiter zum Bistinenpass hoch, der auf über 2400 Metern Höhe liegt. Kurz bin ich irritiert, weil die Strecke etwas anders verläuft als gewohnt (ich mach den Doppelmarathon ja schon zum 10. Mal und kenne die Strecke aus dem Effeff), aber Brigitte erklärt mir später, dass sie aufgefordert wurde, nicht mehr durch das Moor zu laufen und der „Umweg“ ist eigentlich auch gar keiner, dafür bleiben die Schuhe trocken.

Das gewaltige Panorama kann ich zwar noch genießen, aber die Höhe macht mir zusehends zu schaffen (genau wie vor 2 Wochen im Ötztal) und ich werde nach und nach von allen Mitstreitern überholt.

Auf dem Bistinenpass pfeift der Wind und ich bin sehr froh über meine Jacke. Die lieben Menschen von der Versorgungsstelle haben sich in einer geschützten Mulde verkrochen, aber frieren bestimmt noch viel mehr als ich. Ich frage nach Bouillon, aber die ist auch schon aus (ich bin wirklich ganz weit hinten im Feld, aber immer noch nicht Letzter). Die nette Helferin zaubert mir aber doch noch einen Becher lauwarmer Brühe, die ich dankbar trinke.

Und dann geht’s in den Downhill. Das funktioniert zusehends besser, je tiefer ich komme. Der Weg ist jedoch sehr steil und schwierig zu laufen. Mittlerweile hab ich ziemliche Schmerzen in meinen großen Zehen (Arthrose) und muss doch immer wieder Abschnitte gehen. Außerdem wird es jetzt wie immer sehr warm und ich muss die Jacke ausziehen und um die Hüften binden.

 

Kurz vor dem ersten Wasserfall, hinter dem wir durch müssen, hole ich Hellmi wieder ein, dem es heute auch nicht besonders gut geht.

Der Rest ist ein einziger Kampf. Den Schratt bei Kilometer 35 erreiche ich eine halbe Stunde vor dem Zeitlimit (meine Uhr zeigt bereits über 36 km an). Und als ich endlich unten an der Saltinabrücke ankomme, bin ich völlig erledigt. Leider ist der Wanderweg, den wir früher gelaufen sind und der zur Durchquerung der Saltina geführt hat, seit einigen Jahren gesperrt, sodass wir bis zur Simplonstraße runter müssen, um auf die andere Saltinaseite zu kommen und von dort wieder ein ganzes Stück neben dem Fluss zurück müssen bis zur letzten Versorgungsstelle bei Kilometer 40. Dort holt mich Hellmi wieder ein und wir stapfen gemeinsam bei sengender Sonne dahin. An der Versorgungsstelle zeigt meine Uhr bereits 42 km an. Wird nichts mehr mit einer Zeit unter 8 Stunden! Denn jetzt kommt der schlimmste Berg der gesamten Strecke. Er ist nur ca. 500 Meter lang, aber extrem steil, rutschig und zu allem Übel in der prallen Sonne. Als ich endlich oben ankomme, holt Wendel mich ein und will mich motivieren, die restlichen 1,5 km durch Ried-Brig ins Ziel zu laufen, aber ich kann einfach nicht mehr und schicke ihn schon mal voraus. Hellmi hat auch seine Probleme und holt mich nicht mehr ein.

 

In der Zwischenzeit hat Kerstin schon sehr viele Finisher begrüßen können und die Siegerehrung der Marathonläufer gesehen (also von denjenigen, die nur einen Marathon laufen). Dagmar liefert sich diesmal in ihrer AK ein heißes Rennen mit Brigitte, einer Schweizerin, die noch fröhlicher und ausgelassener ist als Dagmar (die ja auch immer strahlt). Dagmar gewinnt den ersten Tag mit einem Vorsprung von 13 Minuten.

Kurz vor dem Zieleinlauf steht die Tochter von Esther (Maribel) und ruft Kerstin an, dass ich gleich ankomme. Leider wurde der Zieleinlauf geändert: anstatt locker ins Ziel zu laufen, müssen wir nun nochmal eine steile Treppe und einen kurzen Weg hoch zum neuen Sportplatz des Schulgeländes. Ich kann es nicht fassen! Ich drücke Maribel noch meine Jacke in die Hand und dann ist es endlich geschafft.

Ich bin stehend k.o. 8:17:04 hab ich gebraucht (das Limit ist bei 8:30). Wendel ist 4 Minuten vor mir, Hellmi 4 Minuten nach mir im Ziel. 5 Läufer kommen noch nach ihm ins Ziel. Nur noch einer davon wird am zweiten Tag starten. Der 69 Jahre alte Ernst läuft locker auf den ersten AK-Platz in 5:25:06, Christian (auch 69) schafft in 7:33:49 noch Platz 3. Bei mir ist es der 6. Platz von 9 Startern.

 

Da es doch recht spät geworden ist, halten wir uns nicht lange auf und steuern unser Hotel neben dem Stockalperschloss in Brig an, wo wir diesmal nach einem sehr umständlichen Self Checkin übernachten.

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