Hamburg-Marathon 26.04.2015

Seit dem Obermain-Marathon sind 2 Wochen vergangen. Höchste Zeit, wieder einen Marathon zu laufen! Es ist wieder mal ein Jubiläumslauf: der 30. Hamburg-Marathon, mein 9. Start in meiner Lieblingsstadt und mein 60. Marathon überhaupt.

Wir reisen gemütlich am Freitag mit dem Auto an. Diesmal sind Floh und die Trailhexe Elke mit von der Partie. Das Wetter ist am Freitag noch wunderbar (im Gegensatz zu den Aussichten für das Wochenende) und so nutzen wir die frühe Ankunft noch zu einem ausgedehnten Spaziergang zum „Michel“ (der St. Michaeliskirche), zum Hafen und zur neuen Hafencity mit Speicherstadt, Elbphilarmonie und dem Polizeihäuschen aus der Fernsehserie „Notruf Hafenkante“ (dort ist tatsächlich die Polizei untergebracht).

Am Samstag geht es dann schon bei deutlich schlechterem Wetter zur großen Marathonmesse. BMW hat einen witzigen Stand aufgebaut: ein elektrischer i3, der am Marathontag das Führungsfahrzeug sein wird, kann mit 2,5 Millionen Schritten auf den Bodenplatten soweit aufgeladen werden, dass er die 42,195 km durchhält. Ich trage auch mit ein paar Tanzschritten dazu bei – allerdings fehlen jetzt noch 1,8 Millionen Schritte…

Am Stand von Runner‘s World halten wir ein Pläuschchen mit dem Chefredakteur Martin Grüning, den wir schon bei vielen Veranstaltungen getroffen haben: er wird morgen für ein paar Schützlinge den Tempomacher für eine Zeit von knapp unter 3 Stunden machen. Er sieht wirklich noch richtig fit aus und ich zweifle überhaupt nicht daran, dass er das drauf hat (er schafft es in 2:57:01).

Später treffen wir noch Moni und Timo, der nach vielem Verletzungspech nun endlich mal wieder einen Marathon laufen will (die letzten 4, zu denen er bereits angemeldet war, musste er ausfallen lassen) und schließlich gibt es noch etwas Fachsimpeln mit dem neuen deutschen Marathonstar Arne Gabius, der letztes Jahr ein fulminantes Marathondebut in Frankfurt gegeben hat (2:09:32 – absolute Weltklasse!).

Floh hatte sich vor 7 Wochen eine Kapselverletzung im Fußgelenk zugezogen und hatte seine Marathonambitionen schon begraben, nachdem die Verletzung immer noch nicht verheilt ist. Geplant hatten wir daher, dass er bis Kilometer 17 an der Binnenalster läuft und dann direkt ins Ziel abbiegt. Nachdem er aber die Jubiläumsmedaille gesehen hat, will er sie nun auch unbedingt haben und will es versuchen. Er kann ja eigentlich viel schneller laufen als ich, aber mit seinem Handicap ist es vielleicht besser, wenn er bei mir bleibt. Ob wir zusammen laufen können?

Aber erst mal haben wir ein sehr frühes Frühstück im Hotelzimmer und dann starten wir frühzeitig unseren 15-minütigen Fußmarsch zum Startgelände am Hamburger Messegelände. Von Elke verabschieden wir uns dort recht bald, denn sie läuft eher so zwischen 4:30 und 5:00 und startet daher aus dem hinteren Startblock der zweiten Startreihe (es gibt wegen der vielen Teilnehmer zwei Startreihen, die nacheinander starten, damit die Strecke nicht zu voll wird).

Aufgrund des Jubiläums sind diesmal mit 19.500 Teilnehmern so viele angemeldet wie schon lange nicht mehr. Hinterher erfahren wir aber, dass nur rund 15.500 auf die Strecke gegangen sind – da haben sich ganz schön viele vom schlechten Wetter abschrecken lassen.

Ich mogel mich mit in den Startblock „D“, wo Floh aufgrund seiner angemeldeten erwarteten Zielzeit von unter 3:30 einsortiert wurde (ich hätte Block „F“ gehabt) und prompt treffen wir dort Timo, der noch nicht wirklich glaubt, den ganzen Marathon durchlaufen zu können.

Gerhard („der Wally“, er läuft hier seinen 538. Marathon) müsste auch hier sein, aber ich kann ihn nicht entdecken. Seine Helene wird ihm heute zusammen mit Kerstin als Fan hinterher reisen.

Nach dem Startschuss (bzw. der Startglocke; im Elitefeld gibt es einen lustigen Fehlstart) sind wir nach nur 2 Minuten über der Startlinie. Pünktlich mit dem Start fängt es leicht zu regnen an. Noch ist es aber nicht schlimm. Meine Marschroute sieht einen Kilometerschnitt von 5:20 Minuten vor (würde dann für eine Zeit unter 3:50 reichen). Da die Läufer um uns herum eher unter 3:30 bleiben wollen, werden wir in der ersten Dreiviertelstunde fast permanent überholt – ist aber kein Problem, es ist hier vorne noch genug Platz für alle.

Erster Treffpunkt mit Kerstin ist nach eineinhalb Kilometern auf der Reeperbahn vor der Davidswache. Kurz vor uns sehe ich, wie Gerhard seine Helene begrüßt. Er ist wieder mal ziemlich flott unterwegs.

Floh und ich laufen im geplanten Tempo (das ihm wesentlich weniger ausmacht als mir) die nächsten Kilometer über die Reeperbahn (die sah Freitagabend auch interessanter aus), durch St. Pauli, am wunderschönen Altonaer Rathaus vorbei (bei einem kurzen Blick nach links sieht man dort die Läufer, die bereits in der Gegenrichtung unterwegs sind) bis nach Othmarschen, wo wir dann auf dem Halbmondweg nach links zur Elbchaussee kommen, an der wir das Ganze wieder zurück laufen. Ich bemühe mich, den Touristenführer für Floh zu spielen und erkläre ihm alles, was man so auf der Strecke sieht.

Der Rückweg auf der Elbchaussee bietet wunderschöne Blicke auf die Elbe und die Hafenanlagen. Kurz vor Kilometer 10 meint Floh, er könnte bereits ein Gel vertragen, aber ich erkläre ihm, dass es erst ab Kilometer 20 Gels gibt. Ich weiß aber, dass wir am Fischmarkt (Kilometer 11) wieder Kerstin treffen und sie dort ein Gel für mich bereithält. Und während Kerstin dort bereits einen sehr schnellen Martin Grüning gesichtet hat,

versorgen wir uns ordentlich bei Kilometer 10 und laufen dann die einzige nennenswerte Steigung bergab zum Fischmarkt. Ich riskiere einen Stolperer, als ich mich umdrehe und im Rückwärtslaufen ein Bild von Floh mache – bei dem Tempo gar nicht so einfach!

Unten angekommen, sehe ich sofort Kerstin und schnappe mir das angebotene Gel, das ich mir später mit Floh teile. Mit Landungsbrücken und dem alten Elbtunnel kommt jetzt das erste Stimmungsnest. Wahnsinn, wie viele Leute sich bei diesem Wetter auf den Weg gemacht haben! Das Hamburger Publikum übertrifft sich wieder selbst!

Auch die nächste Engstelle (wegen einer Baustelle ist nur die halbe Straße belaufbar) passieren wir problemlos. War doch ganz gut, so weit vorne gestartet zu sein. Es geht nun etwa 2 Kilometer an der Speicherstadt entlang und danach durch den langen Wallringtunnel unter dem Hauptbahnhof – auch dort ist nur die halbe Bahn verfügbar, einige schnelle Läufer nutzen aber die Baustellenhälfte zum Überholen: Trailrunning im Tunnel!

Als wir aus dem Tunnel rauskommen, sehen wir schon die Binnenalster, um die wir gleich rumlaufen werden. Ich zeige Floh weiter die Sehenswürdigkeiten: Ballindamm, Hamburger Rathaus im Hintergrund, Jungfernstieg, Apple-Store, usw. Floh ist sehr einsilbig, obwohl er das Tempo locker halten kann und ich weiß gar nicht, ob er das eigentlich alles mitbekommt (er sagt aber hinterher, dass er das sehr gut fand, weil ich ihn damit abgelenkt habe). Ablenkung gibt’s auch genügend vom phantastischen Publikum. Am Jungfernstieg ist die erste Wechselstelle der Staffeln und hier endet der Weg des Läufers mit dem Rettungsring, der seit der Elbchaussee vor uns war (da dachte ich mir noch: so was will ich ja nicht die ganze Zeit mit mir rumtragen müssen).

Kurz vor der Lombardsbrücke wäre Flohs Ausstiegspunkt gewesen. Von hier sind es weniger als 2 Kilometer ins Ziel. Aber der Schmerz in seinem Fuß ist wohl auszuhalten, nur die Schiene, die er anhat, drückt etwas. Also wird er die lange Schleife durch den Norden Hamburgs auch noch in Angriff nehmen. Konditionsmäßig ist er sowieso super drauf, im Gegensatz zu mir. Den Halbmarathonpunkt passieren wir nach 1:54:47 und ich verabschiede mich schon mal von dem Vorhaben, unter 3:50 zu bleiben, denn dafür müsste ich die zweite Hälfte exakt genauso schnell laufen und das wird nix mehr!

Ab Kilometer 20 gibt es dieses Jahr Gels von Dextro, die ich eigentlich ganz gerne mag. Allerdings gibt es erst mal nur die in der Geschmacksrichtung „Espresso“ und die schmecken wirklich scheußlich! Kaffee trink ich ja sehr gerne, aber in Gelform? Nix für mich. Später gibt es sie aber auch in den Geschmäckern Zitrone und Orange – lecker! Nächster Treffpunkt mit Kerstin ist am Stadtpark bei „Alte Wöhr“ (Kilometer 25).

Auch hier ist zuschauermäßig der Bär los und Kerstin und Helene müssen sich sputen, um mit der überfüllten S-Bahn 2 Haltestellen weiter nach Ohlsdorf zu kommen, wo die Zuschauerreihen noch dichter stehen.

Ich bin schon nicht mehr besonders gut drauf. Das Tempo war mir zu hoch. An den Versorgungsstellen muss ich nun immer kurz gehen und der liebe Floh wartet immer auf mich. Das Lauftempo ist aber mit knapp unter 5:30 Minuten pro km immer noch ganz gut. Schon seit vielen Kilometern drückt die Blase, aber ich wollte Floh nicht ausbremsen. Schließlich verkünde ich aber doch, eine Pipipause einlegen zu müssen und er ist heilfroh, denn ihn plagt schon seit einiger Zeit das gleiche Problem und auch er wollte mich nicht ausbremsen …

Die Pause kostet zwar fast eine Minute, war aber dringend notwendig. Der Druck von den Augen ist weg und so rennen wir durch die Zuschauermassen in Ohlsdorf, dem nördlichsten Punkt der Strecke (bei Kilometer 31). Dort bekommt Kerstin auch den Gerhard vor die Linse (heute mit Stirnband), der nach wie vor wenige Minuten vor uns liegt. In Ohlsdorf ist diesmal nicht ganz das Tour-de-France-Feeling, weil die Zuschauer mit Absperrgittern zurück gehalten werden. In den letzten Jahren standen sie hier immer so dicht an der Strecke, dass nur noch ein schmaler Kanal für einen Läufer frei war.

Auf dem Rückweg von Ohlsdorf denke ich mir: wo war denn jetzt die City Nord??? Das hab ich ja völlig verpasst. Dort haben wieder meine treuen Fans Ute und Burkhard gewartet und ich hab sie mit meinem Tunnelblick gar nicht gesehen! Am Abend treffen wir sie zum Essen und sie erzählen, dass sie mich diesmal auch nicht gesichtet haben. Aber sie waren da! Dort war auch die zweite Wechselstelle für die Staffeln und auch an die kann ich mich gar nicht mehr erinnern.

An die dritte Wechselstelle auf dem Maienweg aber schon. Die Läufer werden dort eingewiesen: nach links für die Staffelläufer, nach rechts für die Marathonis. Immer wieder wundere ich mich, wie viele Staffelläufer wir überholen können. Wir sind offenbar doch noch ganz gut unterwegs.

In Eppendorf kann Kerstin wieder zuerst den Gerhard und dann uns begrüßen. Ich seh nicht mehr besonders frisch aus. Nach 37 Kilometern ist das aber jetzt auch ein ziemlicher Kampf für mich. Bei Floh sieht das noch deutlich dynamischer aus.

Das gibt’s doch gar nicht, dass er das praktisch ohne Training (60 km in den letzten 4 Wochen!) und ohne lange Läufe so gut hinbekommt? Da muss doch mal ein Einbruch kommen? Das denkt er zwar auch, aber der Einbruch kommt nicht. Das ist allerdings auch eine prima Motivation für mich, denn ich denke mir, wenn er schon die ganze Zeit immer wieder auf mich gewartet hat (an den Versorgungsstellen), dann laufe ich hier wenigstens, was die Beine noch hergeben.

Am Klosterstern kann man sich kaum retten vor begeisterten Zuschauern und selbst als wir an die Außenalster runter laufen, wo es beim letzten Mal sehr ruhig zuging, säumen viele Zuschauer die Strecke.

Es fängt wieder stärker zu regnen an. Noch nie hatte ich so schlechtes Wetter in Hamburg und tatsächlich ist dies der erste echte „Regenmarathon“ in der Hansestadt. Allerdings ist auch null Wind und somit sind die Verhältnisse gar nicht so schlecht.

Nachdem wir wieder von der Alster in Richtung Rothenbaum hochgelaufen sind, kommt Kilometer 40 und einen knappen Kilometer weiter der befürchtete Anstieg auf dem Gorch-Fock-Wall. Die 4-Stundengrenze ist zwar nicht in Gefahr, aber ich zwinge mich trotzdem, diesen knappen Kilometer noch hochzulaufen, auch wenn das jetzt schon richtig weh tut. Aber dann geht es nur noch zweimal um die Ecke und wir sehen schon den roten Teppich und das Ziel. Im strömenden Regen (die Kameralinse ist schon nass) laufen wir in der noch ganz passablen Zeit von 3:53:42 ein – übrigens auf die Sekunde zeitgleich.

Hat ja doch noch ganz gut geklappt. Die Zeit ist gut für Gesamtplatz 6155 und 302 in der M55. 14.553 Läuferinnen und Läufer haben das Ziel erreicht, ich konnte mich also nach langer Zeit wieder mal in der ersten Hälfte platzieren. In der Altersklasse M55 war es noch besser: 865 sind dort ins Ziel gekommen!

Sieger wurden Lucas Rotich aus Kenia in 2:07:17 und Meseret Hailu aus Äthiopien in 2:25:41. Der Streckenrekord war diesmal nicht in Gefahr. Die beste deutsche Frau Sabrina Mockenhaupt lieferte eine beeindruckende Leistung und lief mit 2:32:41 noch auf Platz 6.

Und obwohl wir zeitgleich waren, trennen Floh und mich 2 Plätze. Aber es gibt weitere 3 Läufer, die alle die gleiche Zeit haben… 

Nach einer schönen warmen Dusche und einem alkoholfreiem Weizen (was hat man als Sportler eigentlich früher getrunken?) fühlen wir uns schon wieder richtig gut und treffen uns mit Kerstin vor den Messehallen. Gerhard hat nicht geduscht und daher nicht auf uns gewartet. Übrigens war er diesmal mit 3:48:29 über 5 Minuten schneller als wir. Alle Achtung!

Aber auch wir sind stolz, diese wunderschöne Medaille gewonnen zu haben. Es ist diesmal ein ganz schöner Klunker, der da am Hals hängt.

Elke schafft diesen für sie völlig unüblichen Wettkampf (sie läuft sonst nur Trail- und Ultrarennen) in 4:37:34 und auch Timo kommt endlich wieder bei einem Marathon ins Ziel nach 4:57:24. Es ist eine der seltenen Gelegenheiten, wo seine Moni schneller ist als er: sie läuft in 4:33:38 durchs Ziel.

Trotz des schlechten Wetters muss man sagen: Hamburg ist immer eine Reise wert! Schon allein wegen seines Publikums, das seinesgleichen sucht. Ich wage zu behaupten, dass das Publikum hier sogar besser ist als in New York. Und die Strecke ist sowieso eine der schönsten der Welt. Also dann: im nächsten Jahr vielleicht der 10. Hamburg-Marathon für mich?