Comrades-Marathon 31.05.2015

Schon seit vielen Jahren ist es ein Läufertraum von mir, den Comrades-Marathon zu bestreiten. Dieses Jahr feiert dieser älteste Ultralauf der Welt sein 90-jähriges (!) Jubiläum – da musste es endlich sein.

Der Comrades-Marathon ist trotz seines Namens ein ausgewachsener Ultralauf von 88 km zwischen Durban und Pietermaritzburg in Südafrika. Die Richtung wechselt jedes Jahr, weshalb es einen „Up-Run“ und einen „Down-Run“ gibt. Ich melde mich zum Up-Run an, also von Durban am indischen Ozean nach Pietermaritzburg im Landesinnern. Was mal 1921 als Kameradschaftslauf in Gedenken an die Opfer des ersten Weltkriegs mit 34 Teilnehmern begann (von denen 16 das Ziel erreichten), ist mittlerweile eine der traditionsreichsten Laufveranstaltungen der Welt (die nur während des zweiten Weltkriegs nicht stattfand) – und eine, bei der der sportliche Aspekt stark im Vordergrund steht. Für die 88 km und rund 1700 Höhenmeter hat man maximal 12 Stunden Zeit. Das ist nicht gerade üppig und für einen eher langsamen Läufer wie mich heißt das: ich darf auf der Strecke nicht trödeln, denn das Zeitlimit wird auf die Sekunde genau eingehalten – ohne Pardon. Wer eine Sekunde nach dem Zielschuss kommt, darf nicht mehr durchs Ziel laufen. Unterwegs gibt es weitere 6 Cut-Offs, die ebenso unerbittlich eingehalten werden.

Ein Start beim Comrades möchte gut geplant sein, denn neben der langen Reise muss man sich auch noch qualifizieren. Die Mindestanforderung ist relativ leicht zu erfüllen: ein Marathon in unter 5 Stunden, gelaufen in den letzten 10 Monaten vor dem Comrades. Möchte man aber in einen der vorderen Startblöcke kommen, wird es schon anspruchsvoller. Für Block „D“ muss es ein Marathon unter 4 Stunden sein, Block „C“ unter 3:40 usw. Weiter hinten zu starten hat Nachteile: man verliert viel Zeit, um über die Startlinie zu kommen und obwohl man mit dem Champion-Chip läuft, zählen die 12 Stunden ab dem Startschuss. Ich schaffe die Qualifikation für Block „D“ bereits bei meinem ersten Marathon in Kandel und bin die Sorge erst mal los.

Wie trainiert man für 88 km? In einem Land, in dem es – trotz Winters (ist ja die Südhalbkugel) – ziemlich warm werden kann? Für eine Strecke, die ziemlich viele Höhenmeter hat? Nun – für mich ist die Antwort leicht: erst mal nicht anders als sonst. Ich bemühe mich lediglich, immer wieder auch hügelige Strecken zu laufen und mach immer wieder mal einen längeren Lauf. Ich nehme an 4 Marathons in 7 Wochen teil, aber mehr als die Marathonstrecke laufe ich nur ein einziges Mal im Training – 2 Wochen vor dem Comrades (48 km). Entsprechend unsicher bin ich mir, ob das reichen wird. Dieser letzte lange Lauf funktioniert allerdings so perfekt, dass ich mit einem guten Gefühl auf die weite Reise gehe.

Ich komme Freitagabend in Durban an und treffe Manfred und Angela, die schon ein paar Stunden früher angekommen sind. Angela läuft den Comrades schon zum zweiten Mal nach 2013. Da sie 2014 ausgesetzt hat, bekommt sie leider weder eine orangene Startnummer, noch die back-to-back-Medaille – aber sie will auf keinen Fall den „Down Run“ machen. Kerstin ist diesmal nicht dabei, da wir nicht mehr genügend Urlaubstage haben, um einen längeren Aufenthalt in Südafrika zu haben und nur für den Lauf macht es für Kerstin keinen Sinn, kann man doch als Zuschauer nur sehr schwer an die Strecke kommen. Im Hotel treffe ich noch weitere Bekannte: Joachim und Sara sind ebenso da wie der blinde Anton, der mit einem südafrikanischen Guide läuft.

Am Samstag geht es bei unglaublich schönem Wetter auf die Marathonmesse, wo ich sehr entspannt meine Unterlagen abholen kann. International Runners haben einen eigenen Bereich dafür und dort geht es ziemlich gemütlich zu. Alles ist gut durchorganisiert. Man bekommt 2 Nummern, die vorne und hinten an das Shirt zu heften sind. Auf der Nummer stehen auch der Vorname, das Landeskürzel und die Anzahl der bisherigen Comrades-Teilnahmen. Es gibt verschiedene Farben: weiß ist für Südafrikaner, blau für Ausländer, orange haben die, die im letzten Jahr gelaufen sind und jetzt die „back-to-back“-Medaille bekommen können (das geht nur dieses eine Mal), gelb sind die mit bisher 9 Teilnahmen und die jetzt zum 10. Mal laufen und schließlich grün für alle, die 10 und mehr Teilnahmen auf dem Konto haben (und davon gibt es unglaublich viele!). Man sieht schon: der Comrades hat seine eigene Komplexität (bei den Medaillen ist es ähnlich kompliziert – es gibt 6 verschiedene). Das hat während des Rennens aber den Vorteil, dass auch Läufer, die von hinten kommen, einen namentlich ansprechen können und man selber auch immer gleich weiß, woran man ist. Mit einem kurzen Bad im indischen Ozean und einem schönen Abendessen im Marine Park endet der Samstag. Frühes Schlafengehen ist angesagt.

Und dann ist der große Tag auch schon da. Ein Jetlag haben wir ja nicht, denn Südafrika hat keine Zeitverschiebung gegenüber Deutschland. Start ist um 5:30 Uhr, das heißt, 3 Uhr aufstehen und frühstücken – Laufveranstaltungen sind echt was für Frühaufsteher! Unser Hotel ist nur einen guten Kilometer vom Start vor der Durban City Hall entfernt, das können Angela und ich bequem bewältigen. Am Start bin ich überrascht, wie voll die Startblöcke schon sind. Offenbar kommen alle sehr früh dorthin, denn die meisten sitzen auf dem Boden. Eine Läuferin neben uns hat dafür sogar ein Kissen mitgebracht (!). Es ist mit 19° außergewöhnlich warm, dadurch müssen wir aber auch nicht nach dem Startschuss über weggeworfene Kleidung, Plastiksäcke und ähnliches stolpern.

Kurz vor dem Start stehen dann alle auf und das Feld verdichtet sich nach vorn. Und dann kommt der stimmungsvollste Moment: zunächst wird die südafrikanische Hymne gesungen und anschließend die schwarzafrikanische: das Arbeiterlied „Shosholoza“, was so viel heißt wie „Geh voran!“. Alle singen lauthals mit – ein echter Gänsehautmoment. Dann noch ein paar Takte von Vangelis „Chariots of Fire“ und dann – nein, kein Startschuss, sondern ein Hahnenkrähen, dann aber doch noch gefolgt von einem Schuss.

Wir sind schon nach 3 Minuten über der Startlinie, müssen aber nach wenigen hundert Metern schon wieder stehen bleiben, da es sich staut. Kurz darauf geht es aber schon wieder im Laufschritt weiter. Gott sei Dank bleibt dies der einzige Stau auf der gesamten Strecke. Es ist noch stockfinster um 5:30 Uhr in Durban, klar – ist ja Winter. Aber nachdem der erste Streckenabschnitt durch die Stadt auf der Stadtautobahn verläuft, sind alle Straßen beleuchtet. Ich versuche, bei Angela zu bleiben, trotzdem verlieren wir uns ziemlich schnell aus den Augen. Nach einer Pinkelpause meinerseits ist sie erst mal verschwunden.

Die Kilometerschilder sind sehr schön groß und nicht zu übersehen. Sie zeigen an, wie viele Kilometer noch zu laufen sind und das erste mit 87 km erinnert mich daran, was ich heute vorhabe. Auf den ersten 5 km ist es sehr voll und ich laufe betont langsam an – es geht auch beständig bergauf. Nach 7 km blicke ich auf die Uhr und denke mir: das schaffe ich niemals unter 11 Stunden. Der Kilometerschnitt liegt bei 7:46 und ich bin relativ entsetzt. In der Folge komme ich aber immer besser in Tritt und kann bis Kilometer 20 den Schnitt auf deutlich unter 7 Minuten drücken. Das sieht schon besser aus. Das Höhenprofil der ersten Hälfte hat mir ja höchsten Respekt abgenötigt, zeigt die Linie doch fast ununterbrochen nach oben. Tatsächlich fühlt es sich aber gar nicht so schlimm an. Die Bergaufpassagen sind so, dass ich alles (langsam) laufen kann und sie werden immer wieder von Abschnitten bergab unterbrochen. Die bereits aufgegangene Sonne kommt von hinten, die Luft fühlt sich noch kühl an und es gibt immer wieder Schatten von Bäumen oder Gebäuden. Wir laufen durch stark besiedeltes Gebiet – selten, dass die Strecke mal länger als ein paar Kilometer durch unbewohntes Gebiet führt. Entsprechend ist der Zuschauerzuspruch: ganz viele Einheimische nutzen den Tag zu einem Picknick, haben Pavillons, Zelte und Grills aufgebaut und jubeln den Läufern zu. Die Stimmung ist phantastisch. Noch nie habe ich so oft meinen Namen rufen gehört. Diese Stimmung ist einer der Gründe, weshalb diese Veranstaltung unter Läufern einen so guten Ruf genießt. Viele Zuschauer halten Schilder hoch, auf denen sie ihre Bekannten und Verwandten anfeuern, oder auf denen einfach nur lustige Sprüche stehen wie „Seemed to be a good idea 4 months ago“ oder „You’re tired? My arms are killing me!“.

Die Versorgung ist ein eigenes Kapitel. Insgesamt gibt es sage und schreibe 48 Versorgungsstellen (offiziell nur 47, aber am Schluss war dann doch noch eine), im Schnitt alle 1,8 km eine (und ich nutze jede!). Es gibt immer kaltes Wasser und Iso aus länglichen Plastikbeuteln – Ecke abgebissen und dann kann man sehr einfach trinken oder sich das Wasser über den Kopf schütten. Dann an jeder Versorgungsstelle Cola aus Bechern, manchmal auch Tee. Nur zu Essen gibt es nicht viel. Banane, sehr oft auch Orangen, Salzgebäck, Kekse und ab und zu muss es auch Gels gegeben haben, die ich aber nicht sehe (ich sehe nur die Tüten auf der Straße). Viele Privatleute bieten aber Essbares an und wenn man will, kann man sich auch an den vielen Grills bedienen (wer‘s mag …). Auf der zweiten Streckenhälfte gibt es immer wieder mal gekochte Kartoffeln, die in Salz gewendet wurden. Eine sehr gute Idee, nur leider werden die meistens zwischen den Versorgungsstellen angeboten und dann habe ich immer kein Wasser, um den Salzgeschmack wegzuspülen. Daher verzichte ich meistens drauf und beschränke mich darauf, viel zu trinken, denn wir haben wunderbares Wetter und bis zu 27° im Laufe des Rennens. Alle 20 km nehme ich ein Gel zu mir, denn ich hab nur 4 Stück dabei.

Die Versorgungsstelle bei Kilometer 32 (Botha’s Hill)  ist ein besonderes Kapitel. Alle sind lila gekleidet, stehen hinter einem Absperrband und brüllen die Namen der Vorbeilaufenden, um sie zu sich zu rufen und ihnen ein Getränk geben zu dürfen. Eine riesige Stimmung und ein tolles Gefühl!

Als wir nach etwa 40 km die lange Steigung geschafft haben (kurz vorher durchlaufen wir noch das Spalier der in feinem Zwirn gekleideten Schüler des Kearsney College), weitet sich das Gelände und man hat einen wunderbaren Blick auf das „Land of Thousand Hills“. Ein toller Moment für mich, denn ich weiß, dass schon mehr als die Hälfte der Höhenmeter geschafft sind (etwa 1000 bis hier) und die Ausblicke auf die vielen kleinen Hügel lenken ganz gut von der Lauferei ab.

Kurz vor dem „Halfway point“ bei Kilometer 44 passieren wir die „Wall of fame“, die ich aber völlig verpasse. Dort können sich Comrades-finisher auf einer Plakette verewigen, die an einer Wand angebracht wird – was sehr viele bereits gemacht haben. Wie gesagt: ich verpasse das völlig und kurz danach sehe ich nur zufällig „Arthur‘s Seat“, eine kleine Felsennische mit einem Kreuz darüber. Hier soll der fünffache Comrades-Sieger Arthur Newton bei seinem Training immer ein Päuschen eingelegt haben und es heißt, wenn man dort eine Blume mit den Worten „Good morning, Sir“ ablegt, wird es einem auf der zweiten Streckenhälfte gut ergehen. Nun, Blume habe ich leider keine und der Spruch fällt mir auch nicht mehr ein, aber ich berühre kurz das Kreuz – das muss reichen!

Genau an dieser Stelle ruft mich jemand von hinten und Angela rauscht vorbei. Ich dachte die ganze Zeit, sie ist weit vor mir, dabei war sie hinter mir. Da ich noch den Salzgeschmack der Kartoffeln im Mund hab und sehe, dass Angela 3 Tüten Wasser spazieren trägt, schließe ich zu ihr auf und bitte sie um eine Tüte, die sie mir natürlich sofort gibt. Kurz drauf kommen wir auch schon an den „Halfway point“. Wow! 44 km geschafft und es geht uns noch vergleichsweise gut. Natürlich ist an dieser Stelle wieder der Bär los und ich bleibe kurz stehen, um Fotos zu machen. Angela ist schon weg, aber ich hole sie an der nächsten Steigung wieder ein. Die Steigung ist sehr lang, man kann sie kilometerweit sich um den Berg winden sehen. Angela geht jetzt wie fast alle anderen auch. Ich auch kurz, aber dann denke ich mir, dass das doch ewig dauert, diese lange Steigung hochzumarschieren. Außerdem ist sie gar nicht so wahnsinnig steil, also falle ich wieder in meinen Trippelschritt und lasse Angela definitiv hinter mir. Wir könnten sowieso nicht zusammen bleiben, denn sie läuft mir bergab definitiv zu schnell.

Jetzt überhole ich natürlich sehr viele Läufer, da etwa 90% gehen. An einem großen Läuferpulk, der die komplette Straßenbreite blockiert, komme ich nur vorbei, indem ich mich am Rand in die Botanik kämpfe. Das finde ich nicht besonders witzig. Wahrscheinlich ist es ein Tempoläufer mit seinen Schützlingen und ich sehe zu, dass ich von dieser Truppe wegkomme. Es gibt Tempoläufer für alle möglichen Zielzeiten bis hin zu 12 Stunden. Sie unterhalten ihre Mitläufer mit Anfeuerungsrufen und Sprechgesängen (wie bei militärischen Drills). Sie pflegen aber auch einen seltsamen Laufstil: ca. 10 Minuten Laufen wechselt sich mit 10 Minuten Gehen ab und das machen sie unabhängig von den Steigungen. So passiert es, dass sie bergab gehen, obwohl man problemlos laufen könnte – nichts für mich!

Tatsächlich erfahre ich hinterher, dass zwei Tempomacher mitsamt ihrer Gruppe an den Cutoff-Zeiten scheitern: einer für eine Zielzeit von 11:45 bei Kilometer 57 und einer für eine Zielzeit von 12 Stunden beim allerletzten Cutoff in Polly Shortts bei Kilometer 81 – 7 km vor dem Ziel!!! Was muss das für eine Enttäuschung für die Mitläufer gewesen sein!

Auf dem folgenden Streckenverlauf geht es nun immer wieder bergab und bergauf – Land of Thousand Hills eben. Irgendwann fragt eine Frau neben mir einen anderen Läufer, wo wir denn gerade sind. Er antwortet trocken: „On one of the thousand hills“. Ich muss jetzt bergauf doch immer häufiger gehen und der Kilometerschnitt geht nun leicht über die geplanten 7 Minuten. Aber es ist alles noch im grünen Bereich. Als das Schild mit 39 km to go kommt, denke ich mir: das klingt doch gar nicht mehr so schlimm! Bei so einem Lauf verschieben sich die Maßstäbe, denn eigentlich ist das ja noch ganz schön weit.

Außerdem freue ich mich über bestimmte Wegpunkte: 74 Kilometer – die Strecke des Rennsteiglaufs, 79 Kilometer – die Strecke des Swiss Alpine, und ab da bin ich nur ein einziges Mal schon so weit gelaufen, bei den 100 km von Biel in 2005.

Es kommen noch einige Stimmungsnester, allen voran die „Green Mile“ vom Hauptsponsor Nedbank bei Kilometer 55, der einzige offizielle Zuschauerpunkt der Strecke. Dort ist ein grüner Kunststoffboden ausgelegt, Cheerleader in grün-weiß tanzen für uns an der Strecke und überlebensgroße Marionetten, sowie als Superhelden verkleidete Menschen heitern uns auf. Mir klopft Spiderman anerkennend auf die Schulter, bei Angela war es Captain America!

Außerdem gibt es noch eine Coca Cola Area und die „Pink Zone“, wo eine Gruppe von Comrades-Veteranen, die sich jetzt gegen Brustkrebs engagieren, Party macht.

Den mit 810 m höchsten Punkt der Strecke bei Umlaas Road erreichen wir erst nach ca. 70 Kilometern. Trotzdem wird es auf den restlichen 18 km nicht nur bergab gehen, denn es fehlt ja noch „Polly Shortts“: dort ist der letzte Cutoff vor dem Ziel und Angela hat mich schon gewarnt, dass davor bereits ein Anstieg kommt, den man für Polly Shortts halten könnte (er heißt „Little Polly‘s“), der eigentliche Anstieg dann aber immer noch bevor steht. Mit diesem Wissen im Kopf können mich die beiden Steigungen auch nicht mehr schockieren. Ich unterhalte mich eine Weile mit einem Läufer im rosa Tutu und roter Perücke. Er hat eine gelbe Nummer und wird heute seinen 10. Comrades finishen. Er fragt mich, woher aus Deutschland ich komme und schwärmt dann über das „bavarian beer“. Ich bin mit seiner guten Laune so abgelenkt, dass ich glatt vergesse, mein letztes Gel bei Kilometer 80 zu nehmen. Als ich es 5 km später bemerke, denke ich mir: jetzt ist es auch egal.

Den Cutoff schaffe ich mit 1:20 Vorsprung und kann mich daher völlig entspannt auf die letzten 7 km machen, die nun wirklich weitgehend bergab gehen. Das Einzige, was jetzt noch stört, ist der miserable Straßenzustand am Eingang von Pietermaritzburg. Der unebene, fast wie aufgefräste Asphalt tut jetzt richtig unter den Füßen weh.

Seit vielen Kilometern kommt die Sonne bereits voll von vorne. Jetzt schickt sie sich langsam an, unterzugehen (um 17:00 wird sie weg sein!) und brennt daher nicht mehr so. Der letzte Kilometer bricht an und wir werden von jubelnden Menschenmassen in das Cricket Oval Stadium begleitet. Noch ein paar Kurven, dann kommt das Ziel in Sicht. Mit einer Zeit von 10:38:51 laufe ich durch und bin überglücklich.

Ich überlege kurz, auf Angela zu warten, denn es ist hinter dem Ziel noch nicht besonders voll. Aber mir wird im Stehen sofort schwindlig und so sehe ich zu, dass ich zum Versorgungszelt komme. Der ganze Platz ist gut gefüllt und ich muss mich erst mal durchfragen.

Nur 4 Minuten später kommt auch Angela ins Ziel (10:42:19). Sie ist damit über 3 Minuten schneller als 2013. Wir treffen uns aber erst vor dem Zelt der international runners, wo wir uns erst mal eine Stunde lang erholen. Direkt hinter uns ist die Einlaufstrecke, die jetzt immer voller wird. Von den über 16500 Startern (angemeldet waren über 22000) schaffen es gut 12700 unter 12 Stunden ins Ziel, davon kommen 5200 in der letzten Stunde an, allein über 1400 in den letzten 10 Minuten! Ich komme auf den Gesamtplatz 5794 (von 16588), bei den Männern ist es Platz 4995 (von 13131) und in meiner Altersklasse M50 (M55 gibt es nicht, nur alle 10 Jahre) ist es Platz 620 (von 2379). Angela schafft Gesamtplatz 6030, bei den Frauen Platz 850 (von 3457) und in der W40 Platz 350 (von 1348). Das sind tolle Ergebnisse, mit denen wir beide hochzufrieden sind.

Joachim kommt nach 11:41:36 ins Ziel, Sara scheitert leider an der Cutoff-Zeit bei Kilometer 57. Anton schließlich ist wegen seines Begleiters langsamer als gewohnt und kommt nach 11:28:24 ins Ziel. Für gewöhnlich läuft er schneller als ich.

Auch aus südafrikanischer Sicht war es ein besonderer Lauf, gewinnen doch sowohl die Herren- als auch die Damenwertung 2 Südafrikaner, zum ersten Mal seit 12 Jahren. Gift Kelehe schafft die Strecke in 5:38:36 und Caroline Wostmann in 6:12:22 (und wird damit 25. overall!).

Wir hören noch den Countdown zu den 11 Stunden (bis dahin gibt es noch eine Bronzemedaille). Den Countdown zu den 12 Stunden warten wir allerdings nicht mehr ab, denn es ist nun extrem voll und der Zielbereich ist für uns nicht einsehbar. Wir ziehen uns also um und schlagen uns zu den Bussen durch, die uns zurück nach Durban bringen. Noch während wir am Bus Schlange stehen, fällt der letzte Schuss für das 12-Stundenlimit. Wegen des nun folgenden Verkehrschaos dauert es allein eine Stunde, bis wir vom Parkplatz wegkommen. Um 21:00 Uhr sind wir endlich wieder im Hotel in Durban und lassen einen denkwürdigen Tag bei einem guten Abendessen ausklingen.

Mein Traum hat sich erfüllt! Jetzt kann ich mir überlegen, nächstes Jahr noch mal anzutreten, um die begehrte „back-to-back“-Medaille zu ergattern. Mal sehen …