Freiburg-Marathon 29.03.2015

Drei Wochen nach Kandel fahren wir schon wieder in den Südwesten der Republik, diesmal ist Freiburg im Breisgau das Ziel. Ist das Wetter auf der Hinfahrt am Samstag noch richtig schön, so wird es bereits am Abend schlechter und es fängt an, leicht zu regnen. Für den Sonntag sind Sturmböen und kräftige Regenfälle vorher gesagt. Das kann ja heiter werden.

Am Sonntag beginnt die Sommerzeit; da der Marathonstart aber erst um 11:10 stattfindet, können wir noch ganz normal ausschlafen. Auf dem Messegelände treffen wir Andreas, der in Kandel seinen ersten Marathon in einer Wahnsinnszeit von 3:12:53 gelaufen ist. Er startet hier als Tempomacher für den Halbmarathon unter 1:45 („ich geh’s mal gemütlich an“). Seine Mirja ist leicht angeschlagen und sie ist heute angesichts der schlechten Wettervorhersage lieber zu Hause geblieben. Gerhard und Helene sind auch wieder dabei, leider sehen wir sie kein einziges Mal, weder am Samstag auf der Marathonmesse, noch am Sonntag vor, während oder nach dem Lauf. Schade! Timo hat sich im Training verletzt und kann auch nicht starten. Bei dem Wetter heute versäumt er aber auch nicht viel …

Nach einer letzten Pinkelpause an den praktischen mobilen Pissoirs begeben Kerstin und ich uns schon mal zum Startgelände, das neben der Messe ist. Der Wind pfeift schon heftig, es hat gefühlt unter 5° und die dicken Wolken an den Bergen im Hintergrund verheißen nichts Gutes. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich richtig gekleidet bin (hab dasselbe an wie in Kandel, zusätzlich nur noch ein Stirnband) und bin ganz schön am Frösteln. An den Füßen trage ich heute die neuen Ultra-Boost von Adidas. Mal sehen, ob die wirklich so gut sind, wie die Werbung verheißt.

Als wir Andreas im Startblock wiedertreffen, hat er bereits seinen Ballon mit der Zielzeit verloren. Anderen Tempoläufern ist es genauso ergangen. Nur die Marathon-Pacer haben ihre Ballons offenbar gut angebunden.

Laut Veranstaltungsprogramm wird in 3 Startblöcken im Abstand von 10 Minuten gestartet (Marathon und Halbmarathon starten zusammen). Ich überlege daher, gleich im ersten Block zu starten, auch wenn der für Läufer mit einer Zielzeit unter 3:30 gedacht ist, was ich natürlich auf gar keinen Fall schaffe. Andreas meint aber, dass man keine 10 Minuten warten muss, sondern der zweite Block (Zielzeit bis 4:15) gleich nach dem ersten auf die Strecke geschickt wird. Ein Fehler, wie sich zeigt: wir starten tatsächlich erst 10 Minuten nach dem ersten Block, was zwar für Entspannung auf der Strecke sorgt, aber die Warterei ist doof und mir wird beim Rumstehen wieder kalt.

Während Kerstin also an der ersten Kurve die schnellen Läufer passieren sieht und sich wundert, warum ich nicht zu sehen bin, warte ich auf unseren Start, der dann pünktlich um 11:20 erfolgt. Dafür bin ich bereits 10 Sekunden später auf der offiziellen Strecke.

Ich geb auch gleich mal Gas, muss schließlich wieder warm werden. In Kandel hab ich einen km-Schnitt von 5:34 geschafft, hier versuche ich unter 5:25 zu bleiben. Der Kurs in Freiburg ist sehr verwinkelt, dadurch wechseln sich Rückenwind und Gegenwind ständig ab. Bei Rückenwind wird mir sofort warm, bei Gegenwind friere ich. Alles in allem war meine Kleiderwahl aber in Ordnung. Über das Stirnband bin ich sehr froh, mir wären sonst die Ohren abgefroren.

Andreas hat mich schon vorgewarnt, dass es auf den ersten 12 km ziemlich viel bergauf geht und ich muss sagen: das habe ich tatsächlich unterschätzt. Es gibt immer wieder Abschnitte, die richtig hoch gehen (na ja, was das eben heißt bei einem Stadtkurs) und ansonsten ist die Strecke permanent leicht ansteigend. In Summe messe ich heute 250 Höhenmeter, was für einen Stadtlauf ordentlich viel ist. Das Tempo zu halten fällt ganz schön schwer, aber noch klappt‘s. Der Tempoläufer für 3:45 überholt mich allerdings schon nach etwa 6 Kilometern; so eine Zeit ist heute für mich nicht zu schaffen. Kurze Zeit später laufen wir an der Schlossbergbahn vorbei und kommen zu einem Punkt, wo man als Zuschauer gleich dreimal die Läufer sehen kann und das auf jeder Runde (in Freiburg muss die Strecke für den Marathon zweimal gelaufen werden).

Kerstin steht auf einer Brücke über der Strecke und sieht schon mal viele verkleidete Läufer vorbei ziehen. Als sie mich entdeckt, ruft sie mich und so erblicke auch ich sie, denn ich hatte sie neben der Strecke erwartet. Noch geht’s mir gut und ich kann das Tempo halten, fällt mir aber schon schwer: die Steigungen und vor allem der teils heftige Gegenwind machen mir zu schaffen. Außerdem regnet es nun immer wieder etwas, allerdings bei weitem nicht so schlimm wie vorhergesagt. Wir haben also noch Glück …

Wir laufen an der Dreisam (so heißt der Fluss, der durch Freiburg fließt) raus in Richtung Sportgelände der Universität und des SC Freiburg. Einmal um das Sportgelände rum, wo wir den höchsten Punkt der Strecke passieren. Jetzt geht es erst mal über eine längere Strecke leicht bergab, trotzdem hindert mich der allgegenwärtige Wind daran, locker zu laufen. Es ist ein ständiger Kampf, das Tempo zu halten und es wird nicht besser, als wir in die Altstadt kommen, weil dort Kopfsteinpflaster, Straßenbahnschienen und die kleinen Freiburger Wasserkanäle, genannt „Bächle“ auf uns warten – Stolperfallen ohne Ende, hochkonzentriertes Laufen ist angesagt.

Mein treuester Fan Kerstin wartet natürlich schon sehnsüchtig auf mich. Noch vor mir trifft der Neandertaler ein, der sich kurz mal nicht konzentriert und prompt seine Keule verliert, die er im Läuferpulk dann wieder aufheben muss.

Die Passage durch die Altstadt ist eigentlich wunderschön, mehrmals sehen wir das schöne Martinstor, durch das wir einmal auch durchlaufen, aber das eklige Wetter macht den ganzen Genuss zunichte.

Die Gruppe mit dem Läufer im rosa Kleidchen und Schweinchennase werde ich später noch mal sehen, hier bei Kilometer 16 sind sie noch hinter mir. Die beiden mit der Kartonage um die Hüften sollen einen „Sixpack“ Bier darstellen, leider hat sich der Karton schon ziemlich aufgelöst.

Am Hauptbahnhof müssen wir über eine Brücke über die Bahngleise. Das ist die heftigste Steigung der Strecke, wo fast jeder in einen kurzen Trippelschritt verfällt oder geht. Auf der Brücke taucht im Hintergrund sehr beeindruckend die Herz-Jesu-Kirche auf.

Als wir uns dem Messegelände zum Ende der ersten Runde nähern, wird das Wetter noch ungemütlicher. Hier gibt es nur flache Hallen, die keinen Windschutz bieten und mir tun echt die zahlreichen Helfer an den Versorgungsstellen leid, die einen tollen Job machen.

Als ich endlich an die Weiche komme, wo Halbmarathon- und Marathonläufer getrennt werden (die glücklichen Halbmarathonis haben jetzt nur noch 250 Meter zu laufen), bin ich schon gar nicht mehr locker drauf. Nach dem Halbmarathonpunkt (1:54, eigentlich eine sehr gute Zeit) ist eine Wende und auf dem Rückweg bleib ich fast in der Luft stehen, so bläst mir der Wind ins Gesicht. Das war’s dann mit einer flotten Zeit, jetzt heißt es nur noch Kampf gegen die Elemente. Bei Kilometer 26 muss ich an der Versorgungsstelle erst mal eine längere Gehpause einlegen (die Strecke steigt wieder an). Die Helfer feuern mich aber mit „Los Frankenblitz!“-Rufen an, also muss ich wohl oder übel weiter laufen. An der Schlossbergbahn, wo mich ein Sprecher persönlich über den Lautsprecher begrüßt,  überholt mich dann die Gruppe mit der Schweinchennase, die bei Kilometer 29,5 direkt vor mir liegt. Dort harrt tapfer meine Kerstin aus.

Ich sehe nicht mehr besonders gut aus und ich fühle mich auch nicht gut. Die erste Runde hat bei diesen Bedingungen einfach zu viel Kraft gekostet. Die 6 Kilometer an der Dreisam raus und wieder zurück halte ich noch im 5:40er Schnitt durch, aber dann wird mir schlecht und ich muss mein Tempo weiter verlangsamen. Das Kopfsteinpflaster in der Altstadt fordert noch mal die ganze Konzentration, ich hab jetzt auf Überlebensmodus geschaltet.

An der Versorgungsstelle bei Kilometer 37 gehe ich wieder ein Stück und da überholt mich doch tatsächlich der Tempoläufer für 4 Stunden. Ich denke „Sch…“, eine Helferin ruft mir zu „Dran bleiben!“ und ich versuche ihm zu folgen. Er ist bereits ganz alleine unterwegs, hat alle seine Schützlinge verloren und ich denke mir: für 4 Stunden ist der doch zu schnell unterwegs, denn eigentlich hab ich noch einen kleinen Vorsprung auf diese Endzeit. Ich will trotzdem kein Risiko eingehen und zwinge mich, ihn einzuholen. Der Überholvorgang ist schwierig, denn sein Ballon weht von einer Seite auf die andere und ich muss ständig ausweichen. Dann bin ich endlich wieder an ihm vorbei – da gibt er doch tatsächlich Gas! Was soll das denn? Aber kurz drauf wird er wieder langsamer, ich komme abermals an ihm vorbei und bleibe dann vor ihm. Diesen Kilometer bin ich in 5:32 gelaufen, also war er wohl doch etwas zu schnell.

Er holt mich nicht mehr ein, weder bei der Überquerung der Bahnlinie (ganz schön hart, da noch mal hochzujoggen), noch an der Versorgungsstelle bei Kilometer 39, wo ich noch mal eine ganz kurze Gehpause mache. Dann endlich, endlich Kilometer 40!

Ich schau auf die Uhr. Noch 14 Minuten Zeit, um unter 4 Stunden zu bleiben. Verdammt, das wird knapp! Es sind ja nicht nur 2 km, sondern 2,195! Als ich mich dem Messegelände nähere, bläst wieder von allen Seiten ein böiger Wind, ich stemme mich dagegen, laufe über die nächste Brücke. Noch 250 Meter bergab bis ins Ziel, die Uhr zeigt 3:58, ich laufe, was die Beine hergeben und dann bin ich endlich im Ziel.

Hui, das war eine knappe Kiste! Mit 3:59:27 bleibe ich gerade noch so unter der magischen Marke und bin total erledigt. Kerstin hat’s leider nicht rechtzeitig hierher geschafft und ich treffe sie erst, als ich völlig durchgefroren aus dem Versorgungsbereich komme. Nach einer wunderbar heißen Dusche fühle ich mich wieder besser und bin richtig stolz, doch noch die 4 Stunden geknackt zu haben. Platz 598 (von 916) bei den Männern und Platz 48 in der Altersklasse M55 (von 92). Meine Adidas Ultra-Boost waren zwar nicht schlecht, aber die Lunarlon Flyknit von Nike fühlen sich um Längen besser an!

Andreas hat seine Aufgabe als Tempomacher mit Bravour gemeistert und kommt nach 1:44:26 ins Ziel.

Gerhard und Helene, die wir ja leider gar nicht zu Gesicht bekommen, mussten wohl auch der Witterung Tribut zollen: Helene schafft den Halbmarathon in 2:05:27 und Gerhard den Marathon in 4:30:08 (es dürfte sein 535. gewesen sein). Sieger im Marathon wurden Ann-Katrin Hellstern in 3:02:55 und Lukas Nägele in 2:28:38 (er schafft das Kunststück, bei dieser Witterung eine persönliche Bestzeit zu laufen!!!). Der Streckenrekord von 2:24 ist nicht in Gefahr.

Auf der Rückfahrt haben wir strömenden Regen – so gesehen, haben wir wirklich Glück gehabt.