Bienwald-Marathon Kandel 08.03.2015

Mein erster Marathon in Rheinland-Pfalz. Schon oft hab ich viel Positives von diesem Frühjahrsklassiker gehört. Viele meiner Lauffreunde wohnen nicht weit weg und sind daher fast jedes Jahr dabei. So hab ich beschlossen, auch mal mitzulaufen. Kandel ist in der Nähe von Karlsruhe, der angrenzende Bienwald geht bis an die deutsch-französische Grenze. Die Strecke ist topfeben (ich hab lächerliche 40 Höhenmeter auf der Uhr gehabt) und – gemessen am Streckenrekord, der schon 1982 mit 2:19:03 aufgestellt wurde – eine der schnellsten Strecken in Deutschland (bei den deutschen Marathonmeisterschaften am 15. April 1984 wurde auf dieser Strecke sogar eine 2:14 gelaufen, neben zwei anderen Läufern von Herbert Steffny). Der Lauf findet immer am zweiten Sonntag im März und diesmal schon zum 40. Mal statt. Als Jubiläumsgeschenk gibt es deshalb eine Kandel-Mütze für die Marathonläufer. Auch ungewöhnlich: im Startgeld von 30 EUR ist zwar ein Finisher-Shirt, aber keine Medaille enthalten. Die kann man für 3 EUR kaufen, aber da sie ziemlich hässlich ist, verzichte ich darauf.

Wir reisen am Samstag an und übernachten in Karlsruhe (23 km entfernt), wo wir das „optimale“ Vorbereitungsessen bekommen: einen frisch gegrillten Burger im trendigen „Bratar“ und danach noch einen großen Eisbecher. In der Hotelbar noch ein Bier und dann ab ins Bett. Pastapartys werden total überbewertet … 

Am nächsten Tag treffen wir dann mehrere Bekannte in Kandel: Georg Hilden (kenne ich aus Gondo), die Kortykas und Kati. Gerhard Wally (der österreichische Rekordhalter) und Helene haben wir bereits am Vortag bei der Abholung der Startunterlagen getroffen. Timo hat’s leider mit einer Angina erwischt und er kann nicht starten.

Dass dies ein schneller Lauf ist, merkt man auch an den Startblöcken: der Block für eine Marathonzeit von 3:51 und mehr ist schon der Letzte!!! Entsprechend gering ist der Frauenanteil. Meine bisherigen Trainingsergebnisse lassen eher auf eine Zeit von 4:10 – 4:15 schließen, trotzdem nehme ich mir vor, die ersten Kilometer mit dem 4-Stunden-Pacer zu laufen und zu schauen, wie es mir dabei geht. Georg empfiehlt mir, vor dem Tempomacher zu laufen, denn erfahrungsgemäß bildet sich dahinter eine große Traube von Läufern, die einen schon behindern können. Ich befolge seinen Rat und reihe mich etwas vor ihm ein – wie sich zeigt, eine gute Entscheidung!

Das Wetter ist ein Traum: knallblauer Himmel, mit ca. 3° noch etwas kühl, aber heute soll das Thermometer auf 14° klettern. Entsprechend dünn hab ich mich angezogen: neben einer sehr dünnen ¾ Hose nur ein Skins-Oberteil und das Frankenblitz-Shirt darüber. Auf Mütze und Handschuhe verzichte ich – eine sehr gute Entscheidung, denn in der Sonne soll es noch richtig warm werden. Wind weht auch keiner.

Pünktlich um 10 Uhr fällt der Startschuss. Am Anfang ist es noch etwas voll, denn Marathon- und Halbmarathonläufer starten gemeinsam. Es dauert aber keinen Kilometer und das Feld zieht sich so auseinander, dass man frei laufen kann. Zunächst laufen wir aus Kandel raus in Richtung Minfeld. Mein Tempo von 5:30 pro Kilometer fühlt sich zwar flott an, ist aber gut auszuhalten, also bleib ich erst mal dabei. Kein Vergleich zum letzten Trainingslauf, wo mir genau dieses Tempo unwahrscheinlich schwer gefallen ist!

Bereits nach 2 Kilometern überholen mich Gerhard und Helene. Die sind ja ganz schön schnell unterwegs. Gerhard läuft heute seinen 533. Marathon, Helene macht den Halbmarathon. Ich lasse die beiden erst mal ziehen, denn sie sind mir definitiv zu schnell unterwegs. Durch Minfeld geht es kurz mal bergab, ansonsten ist es völlig eben. In Minfeld überholt mich ein sehr flotter Läufer mit einem Baby-Jogger. Auch nicht schlecht!

Nach dem Ort geht es nun in den Waldbereich. Die Wege bleiben aber die gesamte Strecke asphaltiert, wobei der Asphalt manchmal schon in einem Zustand ist, dass man sich eher Waldwege wünschen würde.

Bei mir läuft es bestens. Der Kilometerschnitt pendelt sich unterhalb von 5:30 ein. Manche km-Abschnitte laufe ich unter 5:20 und hab schon Sorge, ob das gut gehen wird. Aber solange es sich gut anfühlt …

Plötzlich läuft von hinten Helene auf und ich bin ganz überrascht. Gerhard war ihr zu schnell, außerdem musste sie mal schnell im Wald verschwinden (…). Wir befinden uns auf einer langen Straße durch den Wald, der Wendepunkt für die Halbmarathon-Läufer ist nicht mehr weit und die schnelleren Läufer kommen uns bereits entgegen. Zunächst ist Helene immer noch zu schnell für mich, aber 100 Meter vor dem Wendepunkt überhole ich sie und bekomme sie noch mal von vorne auf die Linse. Tschüss Helene, sie muss jetzt „nur“ noch 8 km zurück laufen und hat es geschafft.

Als Marathonläufer kann man hier noch entscheiden, ob man nicht doch lieber nur den Halben laufen möchte und wird dann trotzdem in die Wertung genommen. Das finde ich auch besser als beim Thermenmarathon Anfang Februar, wo man sich bereits vor dem Start entscheiden musste. Für mich gibt es heute nichts zu überlegen, ich fühle mich blendend und halte das Tempo.

Da taucht doch vor mir bereits Kati auf, heute oben rum ganz in Gelb. Sie meint, sie läuft auf eine 4:25 hin. Dafür ist sie aber definitiv zu schnell.

In der Zwischenzeit ist Kerstin mit dem „Bienwald-Express“ an die Strecke gefahren. Dies ist ein toller Service vom Veranstalter für die Begleiter, denn es wäre ohne Fahrrad sehr schwierig, zur Strecke zu kommen. Der Bienwald-Express macht 2 Touren, bringt die Zuschauer an einen Punkt der Strecke, an dem die Läufer dreimal vorbei kommen und fährt sie zurück zum Ziel. So können Kerstin und ihre Mitbegleiter schon mal das vordere Läuferfeld betrachten, das von der „Flotten Biene“, einem lustigen Elektrofahrzeug angeführt wird.

Mit der Startnummer 346 rast Andreas Martin durch. Er läuft heute seinen ersten Marathon und will ihn gleich mal unter 3:15 schaffen – Respekt! Gerhard kommt noch vor dem 3:45er Tempoläufer an – wenn das mal gutgeht. Ich bleibe meinem Vorsatz treu, den Schnitt knapp unter 5:30 zu halten, so lange es geht – 5:26 sind es aktuell und ich denke mir: das halte ich jetzt erst mal bis zur Halbmarathonmarke. Kurz muss ich doch inne halten, um meinem Schatz ein Küsschen zu geben, doch dann geht es weiter.

Hinter mir kommen der rasende Reporter von marathon4you, die sehr überschaubare Gruppe beim 4:15 Tempoläufer (da läuft Joachim mit) und Georg, der es bewusst langsam angeht. Der Läufer mit dem Doppelkinderwagen wird es auch ins Ziel schaffen, ebenso wie die Läuferin, die auf 2 Krücken über den Kurs humpelt – sagenhaft!

Ich nähere mich dem ersten Wendepunkt in Schadt. Hier steht die einzige Band der Strecke und ich bin ganz dankbar darüber, dass es auf der restlichen Strecke doch sehr ruhig ist und man sich auf sein Tempo konzentrieren kann. Ich bin nämlich kein großer Freund von vielen Musikbands an der Strecke, da die mich immer aus meinen Rhythmus bringen.

Kurz vor dem Wendepunkt begegnet mir Gerhard, der ein paar hundert Meter vor mir ist (jetzt hinter dem 3:45er Tempomacher). Nach der Wende erhasche ich noch einen Blick auf Kati, die im 4:00-Pulk unterwegs ist und später treffe ich noch Georg, der bereits einen respektvollen Abstand hat. Dann ein Schild „Könnten Sie jetzt noch bremsen?“. Nein, heute nicht! Kurz hinter der km 20 Marke schaffe ich es endlich, den älteren Herrn vor mir zu überholen, der auch erstaunlich schnell unterwegs ist.

Zurück zur Abzweigung, an der Kerstin wartet (ein weiteres Küsschen muss sein). Hier ist der Halbmarathonpunkt. 1:55 bis hierher – das läuft ja prima! Ich denke mir: wenn ich das Tempo bis zum 35 km Punkt durchhalte, dann schaffe ich tatsächlich die 4 Stunden. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg durch den Wald. Es geht minimal bergauf, trotzdem schaffe ich es, etwas zu beschleunigen. Es läuft einfach zu gut für mich! Dann taucht plötzlich vor mir ein Läufer im weißen Trikot mit Käppi auf.

Das ist doch der Gerhard? Hab ich ihn doch noch eingeholt! Kurze Zeit später, wir haben den 25 km Punkt passiert, überhole ich und ruf ihm zu, er soll dranbleiben. Gerhard gibt alles. Wir laufen um die Wendestelle und dann ganz leicht bergab den gleichen Weg zurück. An der nächsten Versorgungsstelle bei km 28 verliere ich Gerhard, er kann leider nicht mehr folgen. Mir fällt das Tempo auch zunehmend schwer, aber noch geht es. Ich arbeite jetzt in Etappen: bis km 30 durchhalten, bis km 32, bis km 35 … Kurz nach km 31 kommen wir wieder auf die elendig lange gerade und breite Straße durch den Wald, die einem auf dem Hinweg gar nicht so lang vorkam. Kerstin ist nicht mehr an der Abzweigung, sondern mit dem Bienwald-Express bereits zurück ins Ziel gefahren, wo Mirja ihren Andreas empfängt, der seinen ersten Marathon in phänomenalen 3:12:53 beendet.

Ich kämpfe mich derweil über die lange, nicht enden wollende Gerade. Kilometer 35 ist vorbei, bis dort konnte ich mein Tempo halten, aber jetzt ist der Ofen aus. An jeder Versorgungsstelle brauche ich eine kurze Gehpause und das Tempo fällt auf 5:50 pro Kilometer. Zu allem Übel weht jetzt etwas Wind. Trotzdem bin ich sehr guter Dinge, denn ich werde ganz sicher unter 4 Stunden bleiben, selbst wenn ich jetzt für jeden Kilometer 7 Minuten brauchen würde.

Schon bei Kilometer 35 hab ich einen Läufer überholt, der mich nach dem Tempo fragt, da seine Uhr ausgefallen ist. Da hab ich noch 5:30 drauf und das ist ihm zu schnell. Allerdings läuft er sehr konstant und so holt er mich bei jeder Gehpause wieder ein. Schließlich laufen wir zusammen. Er kommt aus der Gegend, war schon ein paar Mal hier dabei und plaudert aus dem Nähkästchen. Ich bin jetzt sehr einsilbig und lass mich einfach ziehen – und selbst das fällt total schwer! Endlich kommt Kilometer 41 und dahinter die einzige nennenswerte Steigung (selbst die ist lächerlich, aber jetzt ist alles schmerzhaft!), hinter der dann endlich das Zielstadion in Sicht kommt. Allerdings müssen wir noch um das halbe Stadion außen rum, bis wir reinlaufen dürfen. Kerstin wartet schon mit gezückter Kamera. Eine letzte Runde auf der Bahn und dann ist es endlich geschafft!

Vor dem Start hatte Kerstin gemeint, sie erwartet mich nach 3:55 im Ziel. Und was soll ich sagen? 3:54:15 steht auf der Uhr! Was für ein Timing! Und was für ein toller Lauf. Heute hat alles gepasst – Sonne, Temperatur, kaum Wind, flache Strecke und ein super Körpergefühl. Nur auf den letzten 5 km musste ich mich ziemlich quälen. Aber das nimmt man gern in Kauf.

Nach einer kurzen Verschnaufpause und einem alkoholfreien Weizen kann ich schon wieder lachen. Helene (Halbmarathon in 1:57:29) fragt besorgt, wo denn ihr Gerhard bleibt. Aber den haben die Kräfte etwas verlassen, so dass wir eine Viertelstunde warten müssen, bis auch er endlich ins Stadion einläuft. Seinen 533. Marathon beendet er in 4:09:49. Er freut sich natürlich trotzdem, denn er hat auch alles gegeben. Und bei dem herrlichen Wetter muss man sich einfach freuen!

Als nächste kommt Kati in sehr guten 4:11:15 ins Ziel und ist damit auch sehr zufrieden.

Ich will eigentlich schon duschen gehen, da treffen wir auf Sara (Halbmarathon in 2:33:45) und dann kommt auch schon ihr Vater Joachim ins Ziel: 4:14:33, alle Achtung! Das hatte ich ihm gar nicht zugetraut.

Schließlich kommt mit Georg der letzte von unseren Bekannten in 4:18:36 ins Ziel. Alle waren sie ja letztes Jahr auch hier am Start und alle sind dieses Jahr schneller gewesen (im letzten Jahr soll es aber auch ungewöhnlich warm gewesen sein).

Jetzt aber ab unter die Dusche. Die Klamotten sind schon fast wieder trocken, die Duschen sind herrlich warm und danach gibt es noch eine Bockwurst im Brötchen (an den angebotenen Pfälzer Saumagen traue ich mich doch nicht ran …).

Die Rückfahrt nach Hause erfolgt ohne Staus und so geht ein wunderbares Wochenende mit einem ganz und gar unerwarteten Ergebnis zu Ende. Das lässt für die nächsten Rennen hoffen.

Hier noch meine Platzierung: bei den Männern Platz 301 von 492, in meiner Altersklasse M55 Platz 28 von 71. Nur 73 Frauen waren dabei. Sieger waren Carolin Engelke-Horn in 3:12:21 und Oliver Trauth in 2:37:57. Der Streckenrekord war also zu keiner Zeit in Gefahr. Der Beste in meiner Altersklasse ist 2:51:25 gelaufen (ein Franzose) – Wahnsinn! Er kommt damit auf den Gesamtplatz 14.