San Francisco Marathon 28.07.2019

Schon lange wollte ich mal in San Francisco den Marathon laufen. Jetzt ist es endlich so weit. Die Strecke ist zumindest auf der ersten Hälfte Sightseeing pur mit (fast) allem, was San Francisco zu bieten hat, allerdings auch mit einem ganz schön anspruchsvollen Höhenprofil.

Laut Plan sind 380 Hm zu überwinden, gemessen habe ich letztendlich 500 und gefühlt waren es auch so viele! Die Marathonmesse ist klein, aber fein und USA-typisch gibt es jede Menge Geschenke abzustauben. Sogar Sonnenbrillen bekommen wir geschenkt! Ganz anders als bei unseren spartanischen Messen in Deutschland.

Der Start ist am Sonntag um 5:30 in der Früh (!!). Wir wohnen bei Freunden in Oakland und Fred bringt uns um 4:30 rüber zum Startbereich vor dem Ferry Building. Das Wetter verspricht fantastisch zu werden. Jetzt sind es erst etwa 14°, bis Mittag sollen es 21° werden – optimales Laufwetter! Die Oakland Bay Bridge, über die wir gefahren sind, leuchtet herrlich in der Nacht.

Nachdem ich meinen Kleiderbeutel abgegeben hab, kommt das obligatorische Anstellen vor den zahlreichen Dixie-Klos. Vor uns steht ein Läufer in Sandalen – davon werde ich heute noch mehrere sehen. Hinter mir steht Christine, die in USA lebt und heute ihren ersten Marathon läuft. Sie will es in unter 5 Stunden schaffen (und sie schafft es in 4:42 – herzlichen Glückwunsch!!). Es geht überall sehr entspannt zu und ich schaffe es gut, mich 10 Minuten vor dem Start noch mal zu erleichtern (kurz vorher hören wir bereits das Singen der Nationalhymne). Ich wurde in den Startblock „B“ eingeordnet. Als ich mich dort einreihe, startet bereits Block „A“. Christine ist in Block „C“, ich werde sie heute nicht mehr sehen, obwohl wir wahrscheinlich fast zur selben Zeit ins Ziel kommen.

Als unser Startschuss fällt, geht bereits die Sonne auf und taucht die Bay Bridge in ein wunderbares Licht. Ich kann von Anfang an gut mein Tempo laufen, muss allerdings höllisch wegen der Straßenverhältnisse aufpassen: Schlaglöcher, Rillen, teilweise Schienen und die gemeinen Katzenaugen bieten Stolperfallen ohne Ende.

Aber alles geht gut. Zunächst laufen wir relativ flach die Straße an der Bucht entlang, passieren das Touristenhighlight Pier 39 und müssen bei Fort Mason die erste nennenswerte Steigung überwinden. Danach kommt bereits die erste Versorgungsstelle. Insgesamt gibt es ca. alle 3 km eine Versorgungsstelle (die erste erst nach 5 km), was absolut ausreichend ist. Allerdings gibt es immer nur Wasser und – ziemlich süßes – Iso, ganz selten auch Gels (aber die von GU, die mag ich gar nicht) und leider nie Cola, auch am Schluss nicht. Ich bin heute Selbstversorger und habe neben zwei Powergels auch 3 Gelchips von Ultrabuffer dabei. Davon kommt alle 10 km jeweils eine Hälfte in die rechte und linke Backe, wo sie sich langsam auflösen und permanent Kohlehydrate über die Mundschleimhaut abgeben. Das hat sich bei mir bewährt und funktioniert auch heute ganz gut.

Nach etwa 7 km taucht die Golden Gate Bridge auf und ich freue mich riesig, dass heute fast kein Nebel da ist (im Sommer ist die Golden Gate fast immer in Nebel gehüllt). Nach einer kleinen Schleife geht es mehr oder weniger steil bergauf zur Brücke.

Bei Meile 6 (knappe 10 km) sind wir oben. Hier sind auch einige Zuschauer. Bisher war es sehr ruhig unterwegs – klar, ist ja auch noch ganz schön früh am Morgen! Die Brücke ist nicht gesperrt, weil wir nur auf dem Fuß-/Radweg neben der Fahrbahn laufen. Es ist noch recht wenig Verkehr auf der Brücke (das Passieren in Richtung San Francisco kostet 10 Dollar pro Auto, die Gegenrichtung ist frei). Es ist super windig, aber ansonsten wunderbares Wetter und ich habe sogar einen ganz guten Blick in Richtung Innenstadt. Auf der Gegenfahrbahn laufen bereits die schnelleren Läufer zurück.

Die Brücke ist etwa 3,5 km lang und so dauert es, bis ich auf der anderen Seite bin. Dort ist ein Parkplatz, auf dem wir eine Schleife drehen, dann wieder eine Versorgungsstelle und schließlich müssen wir neben dem Parkplatz einen richtig staubigen Trail runter laufen, um dann unter der Brücke durch und auf der anderen Seite eine kleine Straße wieder hoch zu kommen. Und dann geht es die 3,5 km wieder zurück. Am Ende der Brücke kommt eine ganze Menge Läufer von rechts dazu – das sind die Läufer des ersten Halbmarathons (es gibt einen ersten und einen zweiten Halbmarathon), die das Läuferfeld jetzt richtig voll machen. Über die Brücke dürfen aber nur die Marathonläufer!

Jetzt kommt ein sehr welliger Streckenabschnitt. Wir nähern uns bereits der Halbmarathonmarke (für die Marathonis, die Halbmarathonis laufen ja eine andere Strecke) und es geht immer wieder einen halben Kilometer steil bergab und dann einige hundert Meter bergauf. Das macht mich völlig fertig! Viel lieber laufe ich einige Zeit nur bergauf und dann länger bergab. Als ich endlich am Golden Gate Park kurz nach der Halbmarathonmarke ankomme, bin ich zwar noch voll im Zeitplan, aber bereits sehr außer Puste. Hier wartet Kerstin wieder auf mich, denn hier komme ich zweimal vorbei.

Von hier geht es im Golden Gate Park in Richtung Pazifik recht lange bergab. Als es dann nach einer Kurve wieder zurück (und bergauf) geht, muss ich doch mehr und mehr Gehpausen einlegen. Schließlich überholt mich auch der Pacer-Pulk für 4:35. Von so einer Zeit hatte ich eigentlich geträumt. Aber wollte ich die 3 Meilen lange Schleife im Golden Gate Park noch in 35 Minuten schaffen, so dauert es bereits 45 Minuten, bis ich meine unermüdliche Kerstin wiedersehe und so ist dieses Ziel für mich erst mal verloren.

Kurze Zeit später kommt das Ziel für den ersten Halbmarathon, das wir Marathonis links liegen lassen. Der Start des zweiten Halbmarathons war bereits, aber die laufen woanders, so dass der restliche Weg durch den Park relativ einsam ist. Es sind noch 9 Meilen zu laufen (etwa 15 km) und ich überhole einen sehr langsamen  Läufer, der dauernd vor sich hinspricht, „I have to achieve the last miles, I want this medal!“.

Ja, ich auch, aber ich werde das auch schaffen, auch wenn die Luft ziemlich raus ist und ich mich von Gehpause zu Gehpause rette. Wir nähern uns langsam wieder dem Ufer der Bay, was wir daran merken, dass es immer wieder steil bergab geht (ist jetzt auch nicht mehr so leicht zu laufen!), nur unterbrochen von ein paar wenigen Bergaufpassagen.

Im Streckenplan gibt es zwei Stellen, an denen eine „alternative Route“ direkt parallel zur Hauptstrecke eingezeichnet ist und ich hatte mich schon gefragt, was das soll. Jetzt komme ich an ein Schild, auf dem „Valve ahead“ steht und sehe prompt, was das bedeutet: sind die Läufer vor uns noch geradeaus gelaufen, wird die Strecke nun mit einen großen Band so gesperrt, dass wir nach rechts auf die alternative Route laufen müssen. Ein „Läuferventil“ also, wahrscheinlich um die Läuferschar zu entzerren. Warum das allerdings jetzt noch gemacht wird, wo unsere Anzahl doch eher überschaubar ist, erschließt sich mir nicht ganz. Ein Läufer will unbedingt weiter geradeaus, aber er wird bestimmt und eindeutig nach rechts verwiesen.

Als ich wieder mal eine Gehpause nach einer Versorgungsstelle mach, spricht mich ein Läufer von hinten auf Deutsch an, ob ich aus Hamburg wäre (auf meinen Calves steht ja „Hamburg, I love to run you“ drauf). Er ist aus Kalifornien und hat schon eine Weile in Hamburg gelebt und gearbeitet (bei Adobe Systems). Auf den nächsten 3 km (die wir fast ausschließlich laufen) unterhalten wir uns sehr nett auf Deutsch und er gibt mir ein paar Hintergrundinformationen über die Baumaßnahmen an der Bay, auf die wir gerade zulaufen: dort baut San Francisco so etwas ähnliches wie die Hafen City in Hamburg, nur nicht so edel. Leider weiß ich seinen Namen nicht und hab auch kein Bild von seiner Startnummer, aber vielleicht liest er das hier und meldet sich mal. Ich muss ihn jedenfalls am Ende ziehen lassen, denn ich schaffe es nicht, die restliche Strecke durchzulaufen.

Die letzten 1,2 Meilen (knapp 2 km) brechen an. Das Wetter ist wunderbar sonnig, aber auch ziemlich warm geworden und die Bay Bridge in der Ferne will nicht näherkommen (direkt danach ist das Ziel). Tatsächlich gibt es nochmal eine Versorgungsstelle und dann komme ich auf die letzten 300 Meter, winke meinem besten Fan Kerstin zu und laufe nach – gestoppten – 5:02:35 ins Ziel. In der Ergebnisliste steht bei mir bisher nur die Bruttozeit von 5:11:21, ich hoffe, das wird noch korrigiert.

Ich bin doch einigermaßen zufrieden mit meinem 75. Marathon (eine Zeit unter 5 Stunden wäre schon schöner gewesen …) und ganz schön fertig. Die riesige Medaille, auf der sogar eine bewegliche Cable Car angebracht ist, entschädigt aber für die Anstrengungen.

Der Marathon ist zwar sehr gut organisiert und ich bekomme ziemlich schnell meine Tüte mit den Wechselklamotten zurück, nicht so toll ist aber, dass man keine Möglichkeit hat, sich umzuziehen (geschweige denn zu duschen!). Dafür muss man hier schon im Hotel wohnen. Die nehmen aber dermaßen unverschämte Preise (500 bis 900 Dollar für eine Nacht!), dass wir darauf verzichtet haben. Unser Rückweg nach Oakland mit der U-Bahn BART wird aber recht lange dauern, so dass ich einfach ins nahe gelegene Hyatt Regency auf die Toilette gehe und mich dort umziehe. Wenigstens trockene Kleidung!

Und während manche Unverbesserliche unglaubliche Verrenkungen auf ihren Matten machen, fahren wir mit meiner größten (und schwersten) Medaille ever zurück nach Oakland. Und um 13:30 Uhr bekomme ich auch meine lang ersehnte Dusche und kann erst mal entspannen.

Jetzt ist Urlaub angesagt. Aber Ihr wisst ja: nach dem Marathon ist vor dem Marathon …