Fränkische Schweiz Marathon 01.09.2019

Als ich 2012 das letzte Mal den Fränkische Schweiz Marathon lief, hatte ich eigentlich gesagt, den will ich nicht mehr laufen. Zu allem Übel wurde dieses Jahr die Strecke geändert, mit Start und Ziel in Ebermannstadt und als mehrstufige Begegnungsstrecke. Bei Kilometer 32 läuft man quasi durch das Ziel und hat immer noch 10 km vor sich.

Warum also? Na ja, wer im gleichen Jahr den Obermain-Marathon, den Frankenweg-Lauf und den Fränkische Schweiz Marathon finisht, wird bei der „Oberfränkischen Marathonkrone“ gewertet und alle erfolgreichen Finisher werden am Ende auch geehrt. Das hat gereicht als Motivation. Außerdem wollte ich dieses Jahr 5 Marathons laufen und da passte dieser Termin ganz gut ins Konzept – auch wenn ich wegen unseres fast 4-wöchigen USA-Urlaubs praktisch null Training aufzuweisen hatte. Das sollte sich noch rächen.

Auf jeden Fall fahren wir erst mal an Samstag bei bestem Sommerwetter guten Mutes nach Ebermannstadt, wo wir auch übernachten. Helene und Gerhard sind auch wieder mit von der Partie. Für Gerhard, der wegen einer Knieverletzung lange pausieren musste, ist es der sage und schreibe 665. Marathon!!!

Wir haben einen Schattenplatz ergattert und schauen uns die Kinder- und „Mami“-Läufe an. Bei einem hervorragenden Thai-Abendessen lassen wir den Tag ausklingen.

Am nächsten Tag sind wir mit Sabine verabredet, die hier auch nur deshalb läuft, weil eben die Marathonkrone winkt. Sie wird sogar ziemlich sicher 3. Frau werden, denn es sind nur noch 4 Frauen dabei und die Vierte liegt fast eine Stunde zurück. Bei mir ist es umgekehrt: von den 43 Männern, die noch in der Wertung sind, liege ich wegen meiner unterirdischen Leistung beim Frankenweg-Lauf (zur Erinnerung: ich hab geschlagene 7:47 gebraucht) mit einem Abstand von 35 Minuten auf dem letzten Platz. Da bleibt mir also nur, diesen Platz zu verteidigen (was mir heute auch souverän gelingt …).

Diese Veranstaltung gehört zu den Wenigen, bei denen noch ein Skate-Marathon gefahren werden kann. Das findet dieses Jahr, wo der 20. Fränkische Schweiz Marathon ausgetragen wird, aber auch zum letzten Mal statt. Entsprechend viele Skater sind am Start. Ganz überraschend ist auch mein ehemaliger Arbeitskollege Friedrich als Zuschauer da. Und Erwin Bittel, der „Mann mit dem Hut“, darf auch nicht fehlen.

Nach den Handbikern und den Skatern starten wir um 8:40 Uhr in Richtung Weilersbach, wo eine Wendeschleife ist und es zurück nach Ebermannstadt geht. Diese erste Etappe hat genau 10 km. Kurz vor dem Start sehe ich noch Simone-Zitrone. Die hab ich ja schon seit ewigen Zeiten nicht mehr getroffen (hab sie beim Transalpine 2013 kennengelernt). Am Schluss des Feldes läuft ein Barfußläufer: der ist angeblich in 33 Wochen 33 Marathons gelaufen und dies ist der Letzte. Ob er alle barfuß gelaufen ist, weiß ich allerdings nicht. Die beiden BMW-Fahrzeuge wurden vom Autohaus Friedrich bereitgestellt (da bin ich auch Kunde). Mit dem Besenwagen werde ich am Ende des Rennens noch Bekanntschaft schließen – aber davon später mehr.

Mit Sabine hab ich vereinbart, dass wir das Ganze gemütlich angehen und einen Schnitt von 6:30 pro Kilometer anpeilen (sie ist auch nicht wirklich gut trainiert). Nach einigen Kilometern auf der recht eintönigen B470 pendeln wir uns etwas darunter ein. Mir ist es einen Tick zu schnell und zu allem Übel läuft Sabine bei den ersten Versorgungsstellen durch (das mach ich nie!), sodass ich sie wieder einholen muss. Das hätte ich mal lieber bleiben lassen sollen. Es ist schon ordentlich warm und nach dem Wendepunkt bei km 5 geht es fast unmerklich bergauf. Auf der Begegnungsstrecke merken wir, dass gar nicht mehr so viele Läufer nach uns kommen. Das Niveau auf dieser Veranstaltung ist immer relativ hoch.

Währenddessen rasen in Ebermannstadt die Handbiker und die Skater durch, sowie etwas später die schnellsten Männer und Frauen des Marathons. Als Sabine und ich zurück nach Ebermannstadt kommen, sehen wir bereits die ersten Handbiker, die im Ziel sind. Der Erste hat für die komplette Strecke nur 59:20 gebraucht, während wir für die ersten 10 km etwa 1:03 benötigen.

Mein liebster Fan Kerstin sieht derweil Simone-Zitrone, Erwin, den blinden Anton, Helene und dann auch Sabine durchlaufen. Ich musste Sabine an der Versorgungsstelle ziehen lassen und versuche auch nicht mehr, sie einzuholen, denn ich bin bereits viel mehr außer Atem, als mir nach 10 km lieb ist.

Als ich gerade durch bin, rasen die ersten Skater mit einem Affenzahn ein. Der Erste kommt nach 1:11:29,22 ins Ziel. Um die ersten 3 auseinander zu halten, muss man schon die hundertstel Sekunden bemühen!

Ich hab andere Probleme. Jetzt kommt der einzige nennenswerte Anstieg der Strecke in Richtung Gasseldorf und ich muss bereits mehrfach gehen. Gar nicht gut! Oberhalb von Gasseldorf ist der Hummerstein wunderschön zu sehen (dort war der Start zum Frankenweg-Lauf).

Ich merke schon: das wird für mich eine ganz harte Nummer. Es ist ziemlich heiß und fast durchgehend sonnig und es geht mir gar nicht gut. Ich liefere mir ein Wechselspiel mit den anderen Mitstreitern, die ähnlich langsam unterwegs sind. Ab und zu kommen uns noch Skater entgegen. In Streitberg ist wie immer eine Sambaband mit zwei leichtbekleideten Tänzerinnen, aber auch die können meine Laune nur vorübergehend heben. Danach sehe ich auf der Gegenfahrbahn schon den führenden Marathonläufer, der dann auch in 2:27:59 gewinnen wird (es ist der Schotte Nikki Johnstone, dem es gelingt, den beiden teilnehmenden Afrikanern den Zahn zu ziehen – beide geben auf, als sie merken, dass sie nicht mehr gewinnen können). Und ich bin erst bei Kilometer 15 – oh mein Gott!

Im Zielbereich spult derweil eine Cheerleader-Truppe ihr akrobatisches Programm ab – nicht schlecht! Kurz hinter Streitberg ist der Wendepunkt für die Halbmarathonläufer (von denen uns schon einige überholt haben, obwohl sie 40 Minuten später gestartet sind). Ich frage mich, warum ich eigentlich nicht auf den Halbmarathon umgemeldet hab. Jetzt noch 5,5 km zurücklaufen und ich wäre im Ziel.

Aber ich will ja auch die Marathonkrone. Nur deshalb bin ich hier! Und nur deshalb hab ich mich beim Frankenweg-Lauf bei sengender Hitze durchgekämpft. Heute ist es nicht ganz so heiß, aber viel fehlt nicht. Es gibt zwar genügend Versorgungsstellen (so etwa alle 3 km), aber Cola gibt es erst ab Kilometer 35. Das macht mich völlig fertig, denn nichts bräuchte ich jetzt dringender als eine kalte Cola.

Unser Wendepunkt ist ein paar Kilometer hinter Muggendorf. Davor begegnen mir die üblichen Bekannten wie Anton, der ein famoses Rennen macht, Roland Blumensaat, heute mal allein unterwegs, Sabine, die sich anderen Läufern angeschlossen hat und Helene, die auch noch lächeln kann. Oje – erst 21 km geschafft. Zurück geht es zwar tendenziell leicht bergab, aber wir müssen eben doch nochmal so weit und es wird immer wärmer. Zu allem Übel kämpfen wir immer häufiger mit Gegenwind. Nach einer längeren Gehpause sind meine beiden Mitstreiter Manfred und Andy auch nicht mehr zu sehen (Manfred ist sehbehindert und wird von Andy begleitet). Kurz vor Muggendorf kann ich mir bei einem Straßenposten wenigstens ein Spezi schnorren – da ist ja auch Cola drin und das gibt mir etwas Auftrieb.

Kerstin kann in der Zwischenzeit im Ziel eine ganz besondere Läuferin begrüßen: es ist Ruth Schlager, die den Halbmarathon in 2:29:50 beendet. Das ist auf den ersten Blick nicht weiter aufregend, wüsste man nicht, dass Ruth bereits 77 Jahre alt ist. Bei meiner ersten Teilnahme 2012 hat sie den Marathon 10 Minuten schneller (und damit unter 4 Stunden) bewältigt als ich – mit 70 Jahren!

Nach und nach traben weitere Läufer durch, denn von Ebermannstadt müssen wir die 10 km nach Weilersdorf und zurück NOCHMAL laufen – puhh!

Ich rechne schon mal, ob es für mich überhaupt noch Sinn macht, auf diese letzten 10 km zu gehen. Aber bisher läuft alles darauf hinaus, dass ich es in meinem Rhythmus, 100 Meter Laufen, 50 Meter gehen noch innerhalb des Limits von 6 Stunden schaffen kann. Besonders toll fühlt es sich trotzdem nicht an.

Als ich mich dem Zielbogen nähere (wie gesagt: 10 km hab ich noch vor mir), höre ich, wie der Zieleinlauf von Simone-Zitrone angesagt wird, den Kerstin auch aufs Bild bekommt. Mit 4:06:35 hat sie sich noch ganz gut geschlagen und kommt in ihrer Altersklasse sogar auf den zweiten Platz. Fertig ist sie trotzdem. Beim Vorbeigehen sehe ich sie auf der Straße sitzen. Ich rufe ihr zu, ich hätte keine Lust mehr, aber sie meint, „nix da, das musst Du noch zu Ende laufen!“

Also gut. Wenigstens treffe ich nun wieder auf meinen Lieblingsfan, der eine kalte Cola für mich bereithält. Das rettet mir das Leben. Die Kamera, die mich schon die ganze Zeit ziemlich nervt, gebe ich auch gleich ab. 4 Stunden und 3 Minuten sind mittlerweile vergangen, ich befinde mich bei Kilometer 32 und hab jetzt noch knappe 2 Stunden für die restlichen 10 km. Das muss einfach reichen!

Nachdem ich einen halben Liter Cola auf ex getrunken hab, geht’s mir wieder etwas besser. Da ich so viel gehe, bekomme ich heute noch nicht mal die obligatorischen Seitenstechen. Kurz nach dem Ortsende von Ebermannstadt höre ich ein Motorgeräusch hinter mir und dreh mich kurz um. Was ist das? Der Besenwagen in Begleitung eines Polizeimotorrads! Ich bin geschockt, dachte ich doch, dass noch zwei Teilnehmer hinter mir kommen. Aber die müssen aufgegeben haben. Ich vergewissere mich sicherheitshalber beim Fahrer, dass ich noch Zeit hab und er beschwichtigt – alles im grünen Bereich, aber ich bin eben jetzt der letzte Läufer. Das ist mir auch noch nie passiert. Anton von Marathon4you kommt mir entgegen und macht ein Foto von mir. Ich sage, „irgendeiner muss ja der Letzte sein“ und er meint, ich soll mich nicht stressen lassen. Tatsächlich ist der Besenwagen aber doch eine Motivation, wieder längere Laufphasen zwischen den Gehpausen zu haben.

Gleich darauf begrüßt mich mein Kollege Franz, der in Weilersbach wohnt und dort ziemlich lange auf mich gewartet hat (ich wollte ja spätestens schon vor einer halben Stunde dort sein). Nach einem kurzen Selfie geht’s weiter.

Wie in vielen anderen Ortschaften längs der B470 auch wird heute in Rüssenbach eine kleine Kirchweih gefeiert. Als ich da vorbeikomme, den Besenwagen immer hart hinter mir, werde ich mit großem Applaus begrüßt und vom Ausschank bringt mir einer ein volles Glas frisch gezapftes Weizen – herrlich! Er verspricht mir, dass ich auf dem Rückweg noch mehr bekomme. Das wird zwar nicht klappen, aber dieses Erlebnis gibt mir richtig Auftrieb. Ich hole alsbald den Läufer vor mir ein, der zwar ohne Gehpausen konstant läuft, aber dabei so langsam ist, dass ich es irgendwann nicht mehr „schaffe“, hinter ihm zu bleiben. Schade, wäre lustig gewesen, wirklich als Letzter ins Ziel zu kommen. Sooo langsam will ich aber auch nicht sein. Kurz vor der Wendeschleife hole ich sogar noch Manfred und Andy ein. Andy hat riesige Probleme mit Krämpfen. Seit Kilometer 30 wandern die beiden nur noch.

Meine Waden stehen auch immer wieder kurz vor einem Krampf (das passiert mir ganz selten) und ich könnte mittlerweile wieder länger laufen, wenn mich nicht immer wieder ein Zucken in den Waden zum Gehen zwingen würde. An der Wendeschleife ist eine Versorgungsstelle, wo mein Kollege Friedrich mit einer Cola auftaucht. Erst will ich sie gar nicht nehmen, weil sie warm ist, aber die Cola an der Versorgungsstelle ist noch wärmer und so nehme ich sie dankend an. Auf den nächsten 2,5 km werde ich immer wieder von Friedrich fotografiert und gefilmt (er fährt auf dem Fahrrad nebenher). Sehr schön ist der fränkische Hausberg, das Walberla im Hintergrund zu sehen. Schließlich trinke ich noch die Colaflasche aus und er verabschiedet sich, da er verabredet ist.

Während ich mich bei sengender Hitze zurück nach Ebermannstadt kämpfe (der Besenwagen hat jetzt großen Abstand, nachdem ich die rote Laterne abgegeben hab und drei Läufer hinter mir sind), erlebt Kerstin den Zieleinlauf diverser Bekannter wie Roland, Anton und Helene, die jetzt auch nicht mehr sehr frisch aussieht. Sie kommt aber immer noch vor ihrem Gerhard in 4:57:54 an.

Wenige Minuten nach Helene läuft Sabine ins Ziel und weil sich Kerstin gerade um Helene kümmert, verpasst sie das Schauspiel: Sabines Freund Horst ist überraschend gekommen und empfängt seine Herzensdame mit einem Transparent „Sabine, willst Du mich heiraten?“

Sabine kapiert erst gar nicht, dass sie gemeint ist, aber dann ist die Freude natürlich groß. Sie kommt in 5:05:51 ins Ziel, aber die Zeit spielt jetzt gar keine Rolle mehr.

Kurz darauf schafft es auch Gerhard, seinen 665. Marathon in 5:19:49 zu finishen. Auf dem Gruppenbild mit Helene, Vereinskameraden und Anton von Marathon4you sind weit über 1000 Marathons versammelt.

Und dann, nach unglaublichen 5:40:21 treffe auch ich ein und werde persönlich von Michael Cipura empfangen, der den Frankenweg-Lauf organisiert (heißt ab dem nächsten Jahr Frankenweg-Trail) und hier die Zielmoderation macht. Die drei Mitstreiter, die ich noch überholen konnte, kommen weitere 5, bzw. 6 Minuten später an, also noch alle innerhalb des Zeitlimits. Die schöne Medaille ziert die historische Dampflokomotive, mit der man im Sommer jeden Sonntag im Wiesenttal fahren kann (war auch heute möglich).

Zum Ausruhen bleibt nicht viel Zeit, denn ab 15 Uhr soll die Ehrung der Marathonkrone stattfinden. Ich hab also noch 35 Minuten Zeit für eine Dusche. Allerdings darf ich diese noch in unserem Hotelzimmer direkt am Marktplatz nehmen und von dort sind es nur wenige Meter zur Bühne.

Mit einer glücklichen Sabine sitze ich also kurz vor 15 Uhr vor der Bühne. Die Siegerehrungen der diversen Altersgruppen und Mannschaften dauern aber noch eine ganze Stunde, bis dann Michael Cipura endlich das Mikrophon ergreift und erst mal alle mit einem besonderen T-Shirt beglückt, die schon mehr als 10-mal dabei waren (zu ihnen gehört auch Gerhard mit 12 Teilnahmen). Aber dann endlich die Marathonkrone.

Sabine hat ja den dritten Platz sicher mit einer Gesamtzeit von 16:25:20 über alle drei Marathonläufe. Die Siegerin heißt Eva Müller-Geistert, die eine phänomenale Gesamtzeit von 11:08:37 vorweisen kann und heute 5. Frau, sowie 2. Ihrer Altersklasse geworden ist. Sabine überragt die beiden anderen Damen fast, obwohl sie auf dem niedrigsten Treppchen steht.

Ich hab meinen letzten Platz natürlich problemlos gehalten und werde am Ende mit einer entsprechenden Bemerkung von Michael auf die Bühne gebeten. Meine Gesamtzeit ist 18:23:49 und ich bin 39. geworden, da noch 4 Teilnehmer abgesprungen sind. Immerhin bekomme auch ich meine Flasche Sekt. Hat es sich also doch noch gelohnt …