Frankenweg-Lauf 02.06.2019

Es scheint zur traurigen Regel zu werden, dass ich zu keinem Marathon mehr mit einer guten Vorbereitung antreten kann. Vor Hamburg war es die schwere Erkältung und danach musste ich erst mal die Erkältung noch fertig auskurieren und ein paar Tage später hab ich eine Nervenentzündung in Schulter und Nacken bekommen, die sehr schmerzhaft war und mich für weitere 2 Wochen außer Gefecht gesetzt hat. Den Weltkulturerbelauf in Bamberg am 05. Mai musste ich daher sausen lassen.

Ich hatte mich also eigentlich schon damit abgefunden, dass das nichts wird mit dem Frankenweglauf. Erst nach diversen – erfolgreichen – Probeläufen hab ich mich dann sehr kurzfristig zu einer Teilnahme entschlossen.

Und so fahren wir am Sonntag nach Himmelfahrt in aller Herrgottsfrüh nach Gasseldorf in der Fränkischen Schweiz. Start soll um 7:45 Uhr sein. Inge, die schon länger angemeldet ist, ist total überrascht, mich hier zu sehen. Außerdem treffe ich noch Sabine, die ich beim Obermainmarathon kennengelernt habe. Mit 170 Teilnehmern ist die Marathonstrecke fast ausgebucht.

Dreimal habe ich schon erfolgreich hier teilgenommen. Meine Bestzeit war 5:09:20, die schlechteste Zeit war 5:42:52. Im letzten Jahr musste ich nach 18 km völlig entkräftet aufgeben. Dieses Jahr rechne ich mir eine Zeit von etwas über 6 Stunden aus, nachdem ich recht schlecht trainiert bin – eine krasse Fehleinschätzung, wie sich herausstellen sollte!

Zum Start müssen wir von Gasseldorf etwa 10 Minuten mehr oder weniger steil bergauf zum Hummerstein am Frankenweg stapfen. Heute soll ein sehr schöner Tag werden, nach dem durchwachsenen Mai allerdings auch der wärmste seit Wochen. Bereits beim Start ist es gut warm.

Und es geht gleich ordentlich zur Sache. Der Frankenweg ist ein wundervoller Wanderweg, der auf 520 km den Rennsteig mit der Schwäbischen Alb verbindet. Der Abschnitt in der Fränkischen Schweiz ist besonders spektakulär. Leichte Abstiege werden immer wieder durch heftig steile Aufstiege abgelöst. Wenigstens ist alles im Wald und daher im Schatten, trotzdem ist es schon sehr anstrengend. Letztes Jahr hab ich noch den Fehler gemacht, mich an Inge dranzuhängen und hab mich dadurch bereits sehr früh verausgabt. Diesmal laufe ich von Anfang an mein Tempo und gehe konsequent alle Anstiege bergauf. Die erste Versorgungsstelle nach 3 km kommt überraschend für mich, denn ich dachte, die ist erst nach der Muschelquelle, an der früher mal der Start war (oberhalb von Streitberg) und wo Kerstin auf mich wartet.

Wenige Minuten später laufen wir zur Muschelquelle runter, wo mein Superfan uns fotografiert. Noch haben die Mädels nur wenige Minuten Vorsprung, aber das soll sich noch ändern.

Die Strecke folgt komplett dem Original-Frankenweg, sodass wir uns vollständig nach der Wandermarkierung richten können. Es gibt keine extra Markierung, außer hier und da mal ein roter Pfeil auf einem Baum. Als wir nach etwa 11 km und einer weiteren Versorgungsstelle zum ersten Highlight der Strecke kommen, der Oswaldhöhle, fühle ich mich schon ganz schön angestrengt.

Wir laufen durch die Oswaldhöhle durch. Innen ist eine Lampe angebracht, damit wir uns nicht den Kopf stoßen (ist mir schon mal passiert, denn der Durchgang ist ziemlich niedrig). Dahinter geht es über Treppenstufen und unwegsamen Gelände steil bergauf zu einem Aussichtsturm, den wir aber links liegen lassen. Bis hier kannte ich den Weg ziemlich gut, denn mit Kerstin bin ich diese Strecke an Himmelfahrt bereits gewandert.

Die weitere Strecke kenne ich eigentlich auch ganz gut, bin ich sie doch schon viermal gelaufen. Trotzdem passiert es: an einem Feld übersehe ich den kleinen schwarzen Pfeil nach links, der auf dem Frankenwegschild aufgemalt ist und laufe geradeaus weiter in den Wald hinein. Drei Läufer folgen mir. Aber kurze Zeit später merke ich, dass da was nicht stimmen kann. Ich bleibe stehen und wir Vier schauen ziemlich ratlos in die Gegend. Ich sage „ich kehre um“, aber ein anderer meint, „dort unten ist doch ein Weg“ und läuft weiter – die anderen Zwei hinterher. Ich denke mir, ich gehe lieber auf Nummer sicher und kehr bis zur letzten Markierung zurück, wo ich sofort meinen Fehler erkenne. Ich brülle noch in den Wald rein, dass die anderen umkehren sollen, hab aber nicht das Gefühl, dass sie mich hören. Tatsächlich werde ich heute nur noch die eine Frau von den Dreien sehen und das erst im Ziel.

Mich hat dieser Fehler höchstens 5 Minuten gekostet, also nicht so schlimm. Ab jetzt passe ich sehr gut auf die Markierung auf! Das nächste Highlight kommt nach 13 km und ist die Versturzhöhle Riesenburg. Das ist eine Höhle, deren Dach eingestürzt ist und durch die der Weg auf vielen Treppenstufen runter zur Wiesent führt, wo die nächste Versorgungsstelle auf uns wartet.

Mir geht es mittlerweile ziemlich schlecht. Obwohl ich betont langsam unterwegs bin, schaffe ich es nicht mehr, vernünftig zu laufen und eigentlich fühle ich mich genauso wie vor einem Jahr an dieser Stelle. Kerstin wartet in Behringersmühle auf mich (km 18). Sollte ich tatsächlich dort wieder abbrechen müssen? Mein Kilometerschnitt ist bereits so schlecht, dass ich bei diesem Tempo gerade noch die Zielschlusszeit von 7:30 Stunden schaffen würde – und es kommen ja noch einige heftige Aufstiege!

Ich lass mich mal nicht verrückt machen und sehe zu, dass ich die nächsten 4,5 km nach Behringersmühle, die recht flach sind (eigentlich sogar bergab, da wir der Wiesent flussabwärts folgen) mit Gehen und Laufen im Wechsel hinter mich bringe. Ich nehme mir vor, auf jeden Fall noch bis Gößweinstein weiter zu machen, um wenigstens einen Halbmarathon zu schaffen. Dafür muss ich allerdings auch den heftigsten Anstieg der gesamten Strecke noch überwinden.

Mein Lieblingsfan Kerstin wartet mittlerweile sehr geduldig vor der Versorgungsstelle in Behringersmühle und begrüßt lange vor mir Inge und Sabine, die mittlerweile 40, bzw. 37 Minuten Vorsprung auf mich haben. Als ich dann ankomme, schockiere ich sie erst mal mit der Erkenntnis, dass ich es dieses Jahr wohl wieder nicht schaffen werde. An der Versorgungsstelle nehme ich mir viel Zeit, Kerstin holt eine gekühlte Cola aus dem Auto, die ich auf Ex trinke und dann gehe ich erst mal weiter. An der Versorgungsstelle wartet ein Staffelläufer auf seinen Mitstreiter, den ich allerdings schon vor über einer Stunde überholt hatte. Er wird wohl nicht mehr ankommen, denn ich werde vom Staffelläufer nicht mehr eingeholt (und der hätte mich auf jeden Fall eingeholt!).

Zunächst geht es 2 km ziemlich flach auf einem asphaltierten Fahrradweg dahin – bis Stempfermühle. Das kann ich noch mehr oder weniger laufend bewältigen. Dann kommt der Aufstieg nach Gößweinstein: 150 Höhenmeter auf nur einem Kilometer! Da muss ich mehrmals eine Verschnaufpause einlegen, obwohl ich von den anderen Wanderern, die dort zuhauf unterwegs sind, sehr nett angefeuert werde. Keiner kann es begreifen, dass wir Verrückten an diesem heißen Tag einen Marathon laufen – und noch dazu auf dieser Strecke!

Ja, man muss schon ganz schön verrückt sein. Allerdings zaubert die Strecke auch immer wieder ein – gequältes – Lächeln auf mein Gesicht. Ein wunderbarer Blick auf die Burg markiert den höchsten Punkt. Allerdings ist das noch lange nicht der höchste Punkt der Strecke.

An der Straßenkreuzung in Gößweinstein steht wieder Kerstin. Überraschenderweise geht es mir wieder etwas besser, also beschließe ich, bis zum nächsten Treffpunkt nach Pottenstein weiter zu machen. 7 km bis dorthin, die in meiner Erinnerung nicht besonders schwer sind. Aber erst einmal muss ich die steile Straße am Schwimmbad vorbei hochwandern. Oben geht’s dann wieder in den Wald (Schatten!) und dann kommt ein steiler Downhill nach Tüchersfeld.

Meine Knie machen zwar heute keine größeren Probleme, aber der steile Downhill ist trotzdem sehr schmerzhaft. Bereits seit Kilometer 7 merke ich, dass ich mir heute eine Blase am linken Knöchel laufe und das tut immer mehr weh – besonders beim Bergablaufen.

Tüchersfeld ist ein wunderschönes Felsennest. Ab hier laufen wir an der Püttlach entlang. Zudem begleitet uns nun die B470, was mich aber nicht weiter stört, da der Weg trotzdem ständig im Wald verläuft und durch die vielen Felsen (wo jetzt schon ganz viele Kletterer unterwegs sind) sehr kurzweilig ist.

Aber es geht auch ständig auf und ab. Kurz vor Pottenstein müssen wir auf den „Alpinen Steig“ abbiegen (früher sind wir dort einfach weitergelaufen), auf dem es noch mal heftig hoch und wieder runter geht, bis dann endlich Pottenstein auftaucht, auch ein wunderschöner Ort.

Sabine kommt dort etwa eine Stunde vor mir an. Inge ist schon durch. Kerstins Geduld wird heute auf eine harte Probe gestellt.

Schließlich trudle auch ich ein. 28 km bis hierher, für die ich 5:05 Stunden gebraucht habe – oh mein Gott! Es ist heiß, trotzdem geht es mir nicht schlechter als eineinhalb Stunden vorher. Die Zielschlusszeit ist längst verloren, aber ich beschließe trotzdem, weiter zu machen (ich bin auch noch nicht der Letzte) und den Marathon jetzt zu Ende zu bringen, egal wie lange es dauert.

Die Wasserschüssel an der Versorgungsstelle ist eine willkommene Erfrischung. Den weiteren Weg bis zur Teufelshöhle bin ich vor kurzem auch mit Kerstin gewandert. Seit Tüchersfeld geht es tendenziell immer weiter bergauf und so ist es auch hier. Mit einem Schmunzeln laufe ich durch den „Andrea-Felsen“, einer Felslücke, die 150 cm hoch ist und wo Andrea 2011 aufgrund ihrer Körpergröße fast aufrecht durchlaufen konnte (nix für ungut, liebe Andrea!).

Kurz nach der Teufelshöhle müssen wir wegen einer Wegsperrung an dem markanten Felsen kurz auf den Bürgersteig neben der Straße ausweichen. Und dann kommt auch schon die nächste Versorgungsstelle, bevor es weiter bergauf in das Klumpertal geht.

Leider verabschiedet sich dort meine Kamera. Ein letztes Bild und dann geht nichts mehr. Es geht mehr oder weniger steil bergauf durch den Wald, bis ich auf eine Lichtung komme und die nächsten 2 km auf gleißend weißem Schotter leicht bergauf nach Kirchenbirkig laufen muss.

Dort ist die nächste Versorgungsstelle, an der Kerstin wartet. Die Leute von der Versorgungsstelle sind ganz erstaunt: „der läuft ja noch!“. Ich wundere mich selbst, aber bei langsamem Tempo kann ich tatsächlich noch etwas laufen. Vorbei an unserem neuen roten Flitzer (da würde ich jetzt wirklich gerne einsteigen!) stapfe ich durch den Ort, frage kurz nach dem Weg, da die Markierung wegen einer Baustelle fehlt und tauche in den Wald ein, der leider zu dieser Tageszeit auch nur noch begrenzt Schatten bietet.

Die nächste Versorgungsstelle ist in Soranger (km 38). Im Prinzip könnte man auf dem Waldweg schön laufen, aber es geht ununterbrochen bergauf und ich bin am Verzweifeln. Kurze Laufabschnitte wechseln sich mit längeren Gehpausen ab. Mein Kilometerschnitt wird immer schlechter. Ich hoffe, dass ich wenigstens unter 11 Minuten bleiben kann, 10:40 wäre das Maximum, um noch die Zielschlusszeit zu schaffen. Ich bin jetzt aber trotzdem immer knapp unter 11.

In Soranger versuche ich wieder, so viel Wasser, Cola und Apfelschorle wie möglich in mich hinein zu schütten, aber es geht fast nichts mehr rein. Danach geht es eine Straße länger bergab, was ich alles gut laufen kann und mich schon frage, ob ich mich schon wieder verlaufen hab. Da kommt ein Schild nach Leienfels – da muss ich auf jeden Fall hin und ich folge dem Weg, obwohl die Frankenweg-Markierung fehlt. Es geht schon wieder gut bergan und kurze Zeit später ist auch wieder der Frankenweg da und führt mich auf die Steilstufe nach Leienfels. Das kenne ich schon. Das ist so steil, dass man fast rückwärts umfällt. Irgendwann bin ich auch dort oben und laufe das letzte Stück auf der Straße zur letzten – außerplanmäßigen – Versorgungsstelle in Leienfels, dem höchsten Punkt der Strecke. Noch knapp 3 km bis ins Ziel. Und nur noch 15 Minuten Zeit für den Zielschluss, also keine Chance mehr, das zu schaffen.

Derweil fand in Obertrubach im Ziel bereits die Siegerehrung statt und Inge hat den verdienten Lohn für den 3. Platz in ihrer Altersklasse bekommen (ihre Zeit: 6:13:43). Sabine kommt nach 6:31:17 ins Ziel. Die beiden haben alles richtig gemacht.

Hinter Leienfels kommt ein schöner Downhill im Wald, der meinen Kilometerschnitt wieder etwas verbessert und ich träume schon davon, es vielleicht in 7:40 zu schaffen und hoffe natürlich, dass dann das Ziel vielleicht noch geöffnet ist. Meine liebe Kerstin ist natürlich längst aktiv geworden und hat den Organisator gebeten, doch das Ziel länger offen zu lassen.

Tatsächlich geht es aber noch mal heftig bergauf und ich stapfe völlig enttäuscht hoch, denn jetzt dauert es doch noch länger.

Ich weiß ja, dass mich auf den letzten 500 Metern noch ein steiler Downhill erwartet und er ist tatsächlich wieder absolut brutal und ich muss wirklich die Zähne zusammenbeißen, um das noch durchzustehen. Als ich dann endlich nach 7:46:55 das Ziel erreiche, ist zwar der Zielbogen schon abgebaut, trotzdem wird meine Zeit noch erfasst (handgestoppt). Ich bin der Dritte, der die 7:30 nicht ganz schafft und 3 kommen noch nach mir: eine Frau nach 8:00:50 und die letzten zwei Männer zeitgleich nach sage und schreibe 9:40:23. Wir stehen alle in der Ergebnisliste!

Ich bin fix und fertig. Es dauert eine Weile, bis ich Schuhe und Strümpfe von meinen lädierten Füßen abbekomme. Wenigstens wurde es kein DNF, dem Organisator Michael Cipura sei Dank.

Diesen Lauf sollte man nur bestreiten, wenn man auch Bergtraining gemacht hat. Da reicht es eben nicht, einmal über den Moritzberg gelaufen zu sein. 1400 Höhenmeter waren es insgesamt und das Höhenprofil bestätigt mein Gefühl, dass es ab Tüchersfeld eigentlich nur noch bergauf gegangen ist.

Der Vorteil der späten Ankunft ist, dass ich ganz alleine in der Dusche bin und sogar warmes Wasser genießen darf (hatte ich bisher nie beim Frankenweglauf). Später fahren wir noch nach Pegnitz zum Bratwurstgipfel, wo ich meine Belohnungs-Bratwurst bekomme. Ich hab den ganzen Tag über schätzungsweise mindestens 6 Liter Getränke zu mir genommen, aber pinkeln muss ich erst spätabends wieder. Was für ein Tag! Ich bin aber ziemlich stolz, das noch durchgezogen zu haben, auch wenn die Zeit unterirdisch ist. Egal: ich stehe in der Ergebnisliste und somit zählt er, der 74. Marathon! Mein Kilometerschnitt lag übrigens bei 10:52 (ich hab 43 km gestoppt, mit dem kurzen Verlaufen passt das ganz gut).

Noch die (unglaublichen) Siegerzeiten: Sven Ehrhardt in 3:44:51 und Eva Müller-Geistert in 4:26:00.