Zugspitz-Marathon 23.07.2016
Dieses Jahr nehme ich mal nicht am Zugspitz-Ultratrail teil. Dafür habe ich mich für den Zugspitz-Marathon im Rahmen der „Zugspitz-Trailrun-Challenge“ entschieden, ein Lauf über 43,5 km, der von Ehrwald nach einer langen Schleife über die Lechtaler Alpen schließlich rauf zum Zugspitzgipfel führen soll. Der Umweg ist notwendig, um die vielen Kilometer zusammen zu bekommen, denn die direkte Strecke rauf auf den Gipfel beträgt nur 16 km (das gibt es heute auch als Berglauf).
Wir fahren am Freitag bei bestem Wetter nach Garmisch und holen dort die Startunterlagen ab. Dann fahren wir erst mal rüber nach Ehrwald in unser Hotel (das natürlich wieder ganz nah am Start ist), wo uns kurz nach dem Einchecken ein heftiger Gewitterguss erwartet.
Der hört aber nach einer halben Stunde auf. Ein leichtes Tröpfeln bleibt und wir fahren zurück nach Garmisch, wo der erste Wettkampf dieses 3-Tagesevents stattfindet: der „City-Trail“, ein knapp 3 km langer Lauf in 2 Schleifen durch die Fußgängerzone und dem Kurpark von Garmisch, gespickt mit diversen Hindernissen. Vor dem Start treffen wir schon mal Detlef aus Berlin, der hier alle 3 Tage mitmachen wird und Uta, die Cheforganisatorin von Plan B.
Gestartet wird in 15-Sekundenabständen und den Anfang darf die Weltklasse-Biathletin Laura Dahlmeier machen, die gleich mal eine klasse Zeit von 10:52 vorlegt. Daran beißt sich selbst Tina Fischl die Zähne aus, die 1,5 Sekunden mehr braucht. Und auch ihr Mann Alex schafft das nicht und benötigt 11:08 für die 2 Runden. Erst über eine halbe Stunde später schafft Melanie Albrecht noch eine 10:47 und schiebt sich so mit 5 Sekunden Vorsprung vor Laura und Tina. Alle haben großen Spaß. Ich bin trotzdem froh, hier nicht mitzumachen, denn die Verletzungsgefahr ist schon groß. Detlef schafft seinen Lauf in 13:12.
Nach einem schönen Abendessen mit Christian (den wir beim Comrades kennengelernt haben) und seiner Frau Steffi – das allerdings durch die Nachricht vom Amoklauf in München überschattet wird – fahren wir zurück nach Ehrwald. Wir müssen früh ins Bett, denn der Marathonstart am Samstag ist um 6 Uhr früh.
Leider sind die Wetteraussichten nicht so gut: zunächst soll noch die Sonne scheinen, aber bereits am frühen Nachmittag steigt die Gewittergefahr stark an und bereits vor dem Start wird angekündigt, dass die Strecke wieder mal am Sonnalpin enden und der Aufstieg auf den Gipfel nicht möglich sein wird. Ich bekomme das allerdings gar nicht mit, da ich mich nach Abgabe meiner Wechselkleidung hinten an der Ausrüstungskontrolle anstellen muss und dort der Sprecher vorn kaum mehr zu hören ist.
Trotz der Gewittergefahr bin ich guter Dinge und hoffe einfach, noch vor dem großen Knall hochzukommen.
Nach dem Startschuss laufen wir erst mal 2 km durch Ehrwald und über die Wiese bergab zur Hauptstraße nach Reutte. Dort, wo der erste Anstieg des heutigen Tages beginnt, steht Plan B Chef Heini (Utas Mann) und wünscht mir viel Spaß. Na ja, auf den nächsten 5 km wird es knapp 1000 Höhenmeter bergauf gehen.
Als der breite Fahrweg in einen engen Wanderweg mündet, der erste Stau. Kurze Zeit später das erste Kilometerschild „40 km to go“. Nach etwa 1 Stunde sind wir über den tief liegenden Wolken und haben die ersten wunderbaren Ausblicke auf das Wettersteinmassiv und die Lechtaler Alpen.
Auf halber Strecke passieren wir die Tuftl Alm, wo der Bauer schnell eine kleine Herde Ziegen davon treiben muss. Für die 11 km bis zur ersten Versorgungsstelle in Lähn hatte ich eine Zeit von 1:45 eingeplant, aber als wir die höchste Stelle (knapp 1900 Meter) erreichen, sind bereits 1:30 vergangen. Das habe ich wohl etwas unterschätzt… Es folgt ein schlammiger und rutschiger Downhill, der für mich aber ganz gut zu laufen ist, nachdem ich erst mal die „Wanderer“ vor mir überholt habe. Auch Detlef überhole ich hier, er war die ganze Zeit ein paar hundert Meter vor mir gewesen.
Die erste Versorgungsstelle in Lähn erreiche ich nach 2:10 Stunden. Das hat fast eine halbe Stunde länger gedauert als geplant. Meine liebe Kerstin wartet schon ganz lange (als sie dort ankam, kam gerade der 4. Läufer durch). Ich halt mich nicht allzu lange auf und sieh zu, dass ich weiter komme. Für die nächsten 10 km bis Biberwier (2. VP), die auf dem Höhenprofil relativ flach aussehen, hab ich eigentlich 1:15 geplant. Na, mal sehen, ob das klappt.
Detlef und Steffi sind wenige Minuten nach mir da. Die folgende Strecke ist tatsächlich einigermaßen flach und fast schon etwas langweilig. Einen heftigen Anstieg gibt es allerdings schon, denn wir müssen zur Mittelstation der Grubigbahn, der Gondelbahn, die in das Lermooser Skigebiet führt. Als Student bin ich hier ganz oft Ski gefahren.
Bis Biberwier müssen wir noch ganz steil durch den Wald bergab. Weil ich nicht dran denke, meine Schuhe etwas fester zu schnüren, bekomme ich langsam Reibestellen an den Knöcheln, was ziemlich schmerzhaft und lästig ist. Ein Mitläufer, der hier schon mal teilgenommen hat, meint aber, dies war der letzte steile Downhill – ab jetzt geht es fast nur noch bergauf (wie beruhigend!).
Ich komme nach 4 Stunden in Biberwier an. Auch dieses Stück hat also wesentlich länger gedauert, als ich dachte. Bereits weit vor der Versorgungsstelle sehe ich unser rotes Auto stehen und wundere mich, wieso Kerstin hier geparkt hat (lag daran, weil sie die VP nicht gefunden hat). Bis zur nächsten VP an der Ehrwalder Alm ist es relativ weit, weshalb ich meine Trinkblase nachfülle und mich gut versorge, bevor ich weiter stapfe.
Detlef und Steffi haben bereits eine Viertelstunde Rückstand auf mich. Kerstin hat jetzt viel Zeit, denn wir können uns erst wieder im Ziel sehen. Von meinem Plan, das Ganze in ca. 8,5 Stunden zu schaffen, habe ich mich längst verabschiedet. Ich rechne nun eher mit 10 Stunden. Das Zeitlimit liegt bei 11:15, ist also nicht dramatisch.
Nach einem kurzen Stück auf einem asphaltierten Weg geht es in den steilen Anstieg zur Biberwierer Scharte: 1000 Höhenmeter auf 4 km. Die Sonne brennt und ich schwitze. Es ist verdammt anstrengend, aber dieser Streckenabschnitt ist wirklich schön. Wir steigen die ganze Zeit auf eine senkrechte Felswand zu und man kann sich nicht vorstellen, dass es hier einen Durchgang gibt.
Mein Tempo ist unterirdisch: über 20 Minuten pro Kilometer! Ein älterer Herr aus der Schweiz kommt uns gut gelaunt entgegen, wünscht uns viel Spaß und meint, wir sollen auch mal innehalten und uns die wunderschöne Umgebung anschauen. Ja ja, innehalten muss ich zwangsläufig immer wieder mal, um nach Luft zu schnappen. Auf halber Strecke steht die Bergwacht und obwohl ich die Antwort schon weiß, frage ich, wie lange es denn noch bergauf geht. „Noch 500 Höhenmeter“ ist die Antwort. Puhh, eigentlich wollte ich das gar nicht so genau wissen.
Schließlich kommt die Scharte in Sicht. Es wird noch steiler und ganz oben sehe ich meine Mitstreiter als kleine Punkte. Ich werde hier übrigens nicht mehr überholt. Auch alle anderen Teilnehmer, die fast ausnahmslos mit Stecken unterwegs sind, sind nicht schneller als ich.
Mittlerweile ist es so steil, dass ich manchmal auf allen Vieren hochklettern muss. Aber schließlich erreiche ich den höchsten Punkt. 1:47 hat der Aufstieg gedauert! Für 5 km! Aber eben 1000 Höhenmeter. Die hier stehende Bergwacht quittiert meine Frage, ob das nun schon der Zugspitzgipfel sei, mit Gelächter. Meine gute Laune hab ich jedenfalls nicht verloren und auch das Wetter ist noch wunderbar. Vielleicht hält es ja doch?
Der nun folgende Downhill ist technisch ziemlich anspruchsvoll und für mich eigentlich wunderbar geeignet, um Tempo zu machen. Aber ich hab von dem schweren Aufstieg ganz steife Knie und sie schmerzen auch etwas. Außerdem schmerzen die Reibestellen an den Knöcheln. Das wird erst besser, als ich endlich mal anhalte und die Schuhe fester schnüre. Das hätte ich schon viel früher machen sollen! Aber so richtig in Fahrt komme ich trotzdem nicht mehr. Seit ich mich letztes Jahr beim Zugspitz-Ultra am Knie verletzt habe, fehlt mir der Mut, wirklich flott zu laufen.
Dafür ist das Panorama wunderbar. Unten liegt sehr malerisch der Seebensee und auf dem weiteren Weg macht sich eine Schafherde breit, die wild auseinander stiebt, als ich durchlaufe.
Von der Coburger Hütte geht es noch mal steil runter zum Seebensee. Viele Wanderer kommen mir entgegen. Ich bin jetzt 6:20 unterwegs (für 30 km) und rechne mir aus, dass es wohl 10 bis 10:30 Stunden bis ins Ziel werden. Am See trinke ich noch mal das wunderbar kalte Wasser und dann geht’s weiter in leichtem Auf- und Ab zur Ehrwalder Alm. Im Hintergrund sieht es am Wettersteingebirge schon ziemlich gewittrig aus, aber ich denk mir noch nichts dabei. Nach 7:03 komme ich an die Versorgungsstelle der Ehrwalder Alm, eine Stunde vor dem Cutoff. Erst bekomme ich nichts Besonderes mit, denn ich gehe sofort zu den Getränkecontainern, um meine Trinkblase aufzufüllen. Erst dann fällt mir auf, dass ein paar Läufer wild mit einem Streckenposten diskutieren und dann sehe ich die Absperrung: die Strecke wurde wegen akuter Gewittergefahr gesperrt. Ein paar hundert Meter weiter sehe ich die letzten Läufer, die noch durchgekommen sind. Die Strecke wurde um 13 Uhr gesperrt, jetzt ist es 13:04 – na toll!
Diskutieren hat keinen Zweck und der Streckenposten hat ja auch recht: irgendwann muss er halt dicht machen. Die vor mir hat’s noch schlimmer erwischt, denn die sind weniger als eine Minute zu spät gekommen. Ich gräme mich also nicht lange, sondern ruf Kerstin an, die bei bereits ziemlich schlechtem Wetter am Sonnalpin steht und die ersten Finisher gesehen hat.
Das waren für mich jetzt 34 km und 2500 Hm in 7:03. Ärgerlich ist das schon, denn ich hätte es sicher in maximal 3 Stunden ins Ziel geschafft und der letzte Finisher ist dort nach 10:45 angekommen. Sieger ist Lukas Nägele (er hat im letzten Jahr Freiburg und Gondo gewonnen) in 5:22:44. Letztlich kam übrigens doch kein Gewitter an die Zugspitze, sondern „nur“ heftiger Regen (das hätte auch keinen großen Spaß gemacht). Außenrum hat es aber ganz heftig gewittert und in den Bergen weiß man ja nie, was passiert – Plan B hat also meines Erachtens genau richtig gehandelt!
Nach einem kleinen Disput wegen der Kostenübernahme dürfen wir mit der Ehrwalder Almbahn runterfahren. Als Kerstin wieder ins Hotel kommt, bin ich längst geduscht und entspanne auf dem Bett. Sie hat noch meine Wechselkleidung mitgebracht und mir wenigstens eine Medaille besorgt. Die bekommen wir Läufer nämlich schon, nur leider kein Finishershirt.
Die Läufe an der Zugspitze stehen für mich unter keinem guten Stern. Wenigstens konnte ich schon einmal 2010 beim Zugspitz-Extremberglauf bei super gutem Wetter auf den Gipfel laufen (an meinem Geburtstag – Geburtstagsständchen inklusive!). Plan B veranstaltet die Trailrun Challenge nun bereits seit 3 Jahren und noch kein einziges Mal konnte die Strecke bis auf den Gipfel gelaufen werden!
Am Sonntag ist übrigens wieder sehr schönes Wetter, sodass wenigstens der Halbmarathon und die Kurzstrecke wie geplant durchgeführt werden können. Aber da fahren Kerstin und ich schon wieder nach Hause, nachdem wir Detlef und Steffi auf die 22 km geschickt haben (sie sind das in 3:03 gelaufen).
Eine Woche später bekomme ich Post von Plan B: eine Medaille! Also doch noch ein Lauf, wo ich 2 Medaillen bekomme…