Obermainmarathon 10.04.2022
Vor dreieinhalb Jahren hab ich mit Denisse vereinbart, dass wir in 3 Jahren einen Halbmarathon zusammen laufen. Geplant war, das beim diesjährigen Thermenmarathon Anfang Februar in die Tat umzusetzen. Pandemiebedingt wurde der Thermenmarathon aber erneut abgesagt und so war die nächste Möglichkeit der Obermain-Marathon in Bad Staffelstein, bei dem auch ein ziemlich flacher Halbmarathon angeboten wird.
Gesagt, getan. Corona wird trotz schwindelerregender Inzidenzen nicht mehr als so schlimm erachtet, sodass der Obermain-Marathon stattfinden kann. Anfang März melde ich uns an. Denisse macht gerade Urlaub in Mexiko und hat jetzt Motivation zu trainieren. Dass sich der beginnende Frühling bei ihrer Rückkehr aus Mexiko allerdings in einen Winter verwandeln würde, war nicht geplant.
Als wir am Samstag nach Bad Staffelstein fahren, um die Startnummern abzuholen, liegt auf den Hügeln noch Schnee und das Wetter macht dem April alle Ehre mit Eiseskälte, starkem Wind und heftigen Schauern. Wir sind einigermaßen besorgt, wie das wohl am Sonntag werden wird, gehen Samstagabend aber erst mal beim Italiener in Bamberg essen, zusammen mit Denisses Freundin Anai aus Ecuador.
Der Sonntag sieht dann nicht ganz so schlecht aus wie befürchtet. Frühmorgens hat es allerdings kalte 2 Grad und Denisse empfindet das Ganze schon als „Extremsport“.
Am Toilettenhäuschen treffen wir den blinden Anton, der hier wie fast jedes Jahr den Marathon läuft. Diesmal teilen sich 2 Begleiter die Aufgabe, ihn über die Strecke zu führen. Er wird den Marathon in sehr guten 4:27:24 bewältigen.
Der Marathon startet um 8:30 Uhr. Roland Blumensaat ist auch wieder mit von der Partie. Er wird in 5:02:20 finishen.
Wir müssen noch eine Viertelstunde bis zum Halbmarathonstart warten und versuchen, uns einigermaßen warm zu halten. Kerstin trifft ihren ehemaligen Kollegen Boris, der mit einer 4er Truppe angereist ist.
Und dann geht es schon los. Meine GPS-Uhr braucht ewig, bis sie das Satellitensignal gefunden hat. Der Startschuss ertönt bereits und nur, weil wir von ganz hinten starten, klappt es mit dem Signal wenige Sekunden, bevor wir über die Startlinie laufen.
Es geht etwa einen Kilometer durch den Ort. Ein Stück der Straße ist aufgerissen und notdürftig mit grobem Schotter bedeckt. Da muss man schon ganz schön aufpassen, dass man nicht stolpert. Nach dem Bahnhof biegen wir rechts ab und laufen eine Weile neben der Bahnlinie in Richtung Schönbrunn.
Es läuft gut. Das Tempo ist zwischen 6:15 und 6:20 pro Kilometer. Ich würde zwar schneller laufen, aber Denisse hat sich unbedingt gewünscht, dass ich keinen Stress machen soll und so sage ich nichts und passe mich ihrem Tempo an. Sie würde mich sowieso nicht hören, weil sie diesmal mit Musik läuft, was ihr sehr hilft. Eingangs von Schönbrunn ist im Hintergrund bereits Kloster Banz zu sehen. Dort laufen die Marathonis vorbei.
Auch der Staffelberg ist gut zu sehen. Dort werden die Marathonis die Hälfte geschafft haben. In Reundorf beginnt eine kurze Begegnungsstrecke und hier kommen uns bereits die ersten Halbmarathonläufer entgegen. Sie haben schon 3 km Vorsprung vor uns!
Hier ist auch die erste Versorgungsstelle, an der wir kurz etwas trinken. Die nun folgende Schleife ist etwa 2,5 km lang. Im Hintergrund ist die abfallende Straße aus Kloster Banz zu sehen, wo die ersten Marathonläufer runterkommen. Sie sind 15 Minuten früher gestartet, aber schon 3,5 km und einige Höhenmeter mehr gelaufen als wir. Trotzdem kommen bereits einige von ihnen am Ende der Schleife auf unsere Strecke, gut zu erkennen an ihren blauen Nummern.
Unser Tempo pendelt sich bei 6:25 pro km ein. Es gelingt uns trotzdem, immer wieder den einen oder die andere Läuferin zu überholen. Das ist eben der Vorteil, wenn man ganz am Ende startet. Überholt werden wir nur von Marathonläufern.
Unser Super-Fan Kerstin wartet derweil bei Kilometer 10 auf uns und sieht die ersten Läufer und die erste Läuferin des Halbmarathons, sowie den ersten Marathonläufer (Startnummer 70), der hier bereits einen Vorsprung von 15 Minuten auf den Zweitplatzierten hat! Auch Kerstins Kollege Boris ist gut dabei. Am Ende wird er den Halbmarathon in 1:46:44 schaffen.
Nach einer guten Stunde kommen auch wir dort vorbei. Alles läuft perfekt. Wir überqueren die Straße und müssen nun etwa 500 Meter auf einem groben, unebenen Feldweg laufen. Hier ist die nächste Versorgungsstelle.
Noch 200 Meter bis zum Ende der schlechten Wegstrecke und da passiert es: ich höre einen Schlag hinter mir, dreh mich um und Denisse liegt dort am Boden. Sie ist an einem Stein gestolpert und auf Knie und Hände gefallen. Sie rappelt sich sofort auf, versichert mir, es sei nichts passiert und es tue auch nichts weh und wir laufen weiter. Auf der nächsten Strecke merke ich aber, dass eben doch was passiert ist, weil sie permanent Blut von ihrer Hand leckt (sozusagen „Blutdoping“). Die Hand sieht auch übel aus.
Dass auch ihr Knie einiges abbekommen hat, werde ich erst im Ziel sehen, denn im Moment sieht es so aus, als wäre nur ihre Hose schmutzig geworden. Denisse ist aber weiterhin bester Laune und zieht sogar das Tempo etwas an.
Es geht ein Stück neben der Autobahn und dann in das kleine Dorf Unterzettlitz, wo die nächste Versorgungsstation auf uns wartet. Da kann Denisse den Blutgeschmack endlich mit einem anderen Getränk fortspülen, denn bis jetzt hat die Hand ziemlich geblutet.
In Unterzettlitz wartet unser treuer Fan Kerstin auf uns. 16 Kilometer sind es bis hierher und wir sind nach wie vor perfekt unterwegs. Nach einer Bahnunterführung kommt ein kerzengerader, fast 2 km langer Abschnitt an der Bahnlinie, der mir bei meinen Marathonläufen hier immer große Probleme bereitet hat. Seit Unterzettlitz sind alle Läufe auf der gleichen Strecke und beim Marathon hat man hier schon 38 km hinter sich.
Aber heute sind wir ja „erst“ bei 18 km und Denisse gibt jetzt richtig Gas. Das Tempo sinkt auf 6 Minuten pro km, zeitweise auch darunter und wir fangen an, die Läufer vor uns einzusammeln (ein paar Läufer gehen auch schon). Ich bin begeistert. Später erzählt sie mir, dass sie gedacht hat, es evtl. unter 2:10 Stunden zu schaffen, aber dafür hätte sie 3 km früher aufdrehen müssen.
Wir laufen nun durch das Wäldchen hinter dem Thermengelände, lassen die letzte Versorgungsstelle bei Kilometer 19 rechts liegen und machen weiter Tempo. Es geht durch den Kurpark, unter der Bahn durch und dann laufen wir auch schon in das kleine Stadion ein.
Und dann ist es geschafft! Denisse bewältigt ihren ersten Halbmarathon in 2:13:02, kommt damit auf Platz 107 von 141 Frauen und Platz 17 von 21 in ihrer Altersklasse WU30. Sehr gut! Sie hat keine Schwäche gezeigt, hätte wahrscheinlich noch ein ganzes Stück schneller laufen können, aber darauf kommt es heute nicht an.
Pandemiebedingt dürfen wir uns die Medaillen selbst umhängen. Erst jetzt sehe ich die Bescherung an ihrem Knie: da ist ein blutiges Loch und ihre Hose ist kaputt (was sie besonders traurig macht, denn das ist ihre Lieblingshose).
Jetzt müssen wir noch ein kleines Fotoshooting machen, damit genug Material für die sozialen Medien da ist.
Die Kälte zwingt uns aber, doch relativ schnell aufzuhören und in die Therme zu gehen (das ist hier wie beim Thermenmarathon: als Teilnehmer hat man freien Eintritt). Wir sehen gerade noch den Sieger vom Marathon einlaufen, bevor wir rüber gehen und dann das schöne warme Thermalwasser genießen.
Mit 2:46:39 ist Dominic Arnold nicht nur Sieger, er bleibt auch als einziger unter 3 Stunden und deklassiert den Zweiten um 25 Minuten! Bei den Frauen wird Lisa Helm in 3:29:44 gewinnen.
Beim Halbmarathon heißen der Sieger Maciek Miereczko (1:13:34) und die Siegerin Jessica Ittner (1:26:15). Ich komme in der Altersklasse M60 auf Platz 20 von 24 – immerhin.
Fazit: ein sehr schöner, erfolgreicher Lauf. Das Wetter war viel besser als befürchtet, zwar kalt, aber trocken und selten Wind und die Sonne kam einige Male sehr schön durch. Mehr kann man in diesem April wohl kaum erwarten.
Leider hat Denisse ziemliche Blessuren davongetragen. Die Verletzung an der Hand ist nicht weiter schlimm, aber das Knie sieht nicht besonders gut aus. Hoffentlich verheilt das ordentlich. Ich bin super stolz auf sie, wie tapfer sie das mitgemacht hat und sie ist auch total happy, dass der Lauf so gut funktioniert hat.