Swiss City Marathon Lucerne 29.10.2017

Nach über einem Jahr traue ich mich wieder an einen Marathon ran. Schon im letzten Jahr war ich in Luzern angemeldet, konnte aber wegen meiner Rückengeschichte nicht teilnehmen. Nun also auf ein Neues. So richtig fit bin ich zwar noch nicht und meine Leistungen im Training waren eher frustrierend, vor allem bei den langen Läufen, aber irgendwie werde ich das schon hinbekommen. Der Halbmarathon beim Nürnberger Stadtlauf hat schließlich auch ganz prima geklappt.

Luzern ist ja in meinen Augen die schönste Stadt der Schweiz und das beliebteste Motiv ist natürlich die Kapellbrücke mit dem charakteristischen Wasserturm vor der Altstadtkulisse.

Auf der kleinen Marathonmesse im Schweizer Hof treffen wir auf Daniel, der wie letztes Jahr Standdienst bei Asics hat. Patricia mit dem kleinen Yuri ist auch da. Was für ein fröhliches Kind! Und wo Patricia ist, ist Josianne nicht weit. Da sind sie wieder, meine „Goms-Zwillinge“.

Josianne läuft morgen den Halbmarathon, Patricia setzt aus. Vor dem Schweizer Hof, in dem auch die Pasta Party stattfindet (es gibt Pasta oder Rösti), stehen sehr dekorativ die Alphornbläser mit einem Fahnenschwinger. Man muss schließlich den Touristen etwas Typisches aus der Schweiz bieten.

Am Sonntag heißt es wieder früh aufstehen, denn man kommt nur mit dem Shuttle-Schiff zum Startgelände und hat noch einen guten Fußmarsch zur Gepäckaufbewahrung in einem Sportgelände. Der erste Start für die ganz Schnellen (unter 3 Stunden) ist um 9 Uhr. Danach finden gestaffelte Starts für Endzeiten bis unter 5 Stunden statt. Leider ist das Wetter ziemlich schlecht gemeldet: heftiger Wind und immer wieder Regen. Aber wir haben noch Glück: in Deutschland zieht ein richtiger Sturm auf und beim gleichzeitig stattfindenden Frankfurt-Marathon (dort startet heute mein Laufpartner Floh) sind die Verhältnisse um Welten schlechter.

Bei der Gepäckabgabe hab ich mir schon mal mein erstes Bier geholt (keine Sorge: ist ein alkoholfreies Radler). Kurze Zeit später treffen wir Josianne, die heute den Halbmarathon unter 1:50 laufen will. Das ist dann der Startblock für den Marathon unter 3:50 und das ist für mich heute völlig unmöglich. Trotzdem lass ich mich dazu hinreißen, in diesem Startblock zu bleiben, wenn auch ganz am Ende.

Die Strecke des Swiss City Marathons führt zunächst an der Hauptstraße neben dem See in den Ort hinein, über die Seebrücke, wo der Vierwaldstättersee in die Reuß mündet, dann am Veranstaltungsgelände des KKL vorbei (Kultur- und Kongresszentrum Luzern), um die Halbinsel Horw herum, immer am See entlang, schließlich zurück zum KKL und nach einer kurzen Passage durch die Altstadt wieder auf der Hauptstraße raus in Richtung Verkehrsmuseum. Dort ist auch das Ziel, aber vorher muss man das Ganze noch mal laufen, denn die Strecke ist nur 21 km lang. Es gibt mehrere Highlights, denn die Luzerner lassen sich immer wieder was Besonderes einfallen. Vor einigen Jahren wurde die Strecke durch den neu gebauten S-Bahntunnel geführt, der damals noch nicht in Betrieb war. Heute geht es durch das Stadium der Swissporarena.

Nach dem Startschuss geht es also erst mal kerzengerade die Straße längs Richtung Ortsmitte. Da ich im 3:50er Startblock bin, geht es viel zu schnell los. Ich lass mich aber gleich zurückfallen, bin ja ganz am Ende des Startblocks gestartet und hab so die Straße fast für mich alleine. Mein Tempo pendelt sich auf 5:50 pro km ein und mehr traue ich mir auch absolut nicht zu. Würde ich das halten, würde sich eine Zeit unter 4:15 ergeben, aber da müsste schon ein Wunder passieren (und mein Wunder für dieses Jahr hab ich schon mit den 1:56 beim Nürnberger Halbmarathon „verbraucht“).

Mein treuester Fan Kerstin steht diesmal auf der Seebrücke. Sie hat heute wenig zu tun, denn durch die Streckenführung kann sie mich nur hier sehen – dann aber gleich dreimal – und zum Schluss im Ziel.

Es geht am KKL vorbei, wo die Kilometerfahne 23 steht (das ist dann auf der zweiten Runde). An fast jedem Kilometerschild stehen meist junge Frauen mit den Kilometerfahnen und feuern uns Läufer an. Auch ein toller Job, denn sie müssen ja stundenlang an der gleichen Stelle stehen bleiben.

Kurze Zeit später eine große Gruppe Alphornbläser, die uns mit bergigen Klängen begleiten. Da könnte man fast ins Träumen kommen. Schweiz wie sie leibt und lebt!

Bei Kilometer 5 fängt es an zu regnen. Na das kann ja toll werden! Es hört aber schon nach ca. 20 Minuten wieder auf und bleibt dann erst mal trocken. Vom See ist vorläufig nichts zu sehen, obwohl er ganz nah ist. Dann kommt die erste Steigung, die noch recht leicht zu bewältigen ist. Aber die zweite, viel längere Steigung ist ganz schön heftig. Aus dem Höhenprofil war ich nicht richtig schlau geworden, aber jetzt merke ich, dass das nicht ohne ist. In Summe werden übrigens 210 Höhenmeter zusammenkommen.

Oben an der Steigung angekommen, mahnt das Schild mit „Mara Thon“ zur Vorsicht beim Bergablaufen. Mara Thon begleitet uns die ganze Strecke und gibt immer wieder Hinweise und Tipps. An der Strecke sind tolle Villen zu bestaunen. Und der See schaut auch immer häufiger durch, aber leider nur durch trübe, wassergeschwängerte Luft.

Es gibt auch ein paar verkleidete Läufer wie diese 3 Krankenschwestern. Bei einer blitzt immer mal der nackte Po hervor (sind aber Männer).

Nach einer längeren Bergabpassage sind wir auf Seeniveau und laufen direkt am See entlang nach Horw.

In Horw ist ein richtiges Stimmungsnest. Dort startet auch der 10 km Lauf, aber erst bei meiner zweiten Runde. An den Versorgungsstellen gibt es neben Wasser und Isostar die üblichen Riegel und Bananen. Leider keine Cola. Und Gels von Isostar erst ab Kilometer 25. Ich probier heute was Neues aus, was mir beim Nürnberger Stadtlauf sehr geholfen hat: die Gel-Chips von Ultrasports. Das sind kleine „Marshmellows“, die man in zwei Teile zerbeißt und rechts und links in die Backe schiebt, wo sie sich langsam auflösen. Dadurch nimmt man ständig über die Mundschleimhaut Energie auf. Sie halten etwa 3 bis 4 km vor, bis sie aufgelöst sind und ich nehme heute alle 10 km einen Neuen. Ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Ob es hilft? Keine Ahnung, aber wahrscheinlich schon. Immerhin halte ich bisher ziemlich problemlos mein Tempo von 5:50 bis 5:55 pro km. Aber es waren ja auch erst 12 km!

Wir nähern uns dem Stadion. Vorher geht es noch durch einen Kleingartenverein, wo ich am Eingang fast mit dem linken Fuß wegknicke und ein kurzer Schmerz durch das Sprunggelenk schießt. Puh, gerade noch mal gut gegangen. In den Kurven spüre ich es ab da aber immer ziemlich und muss total aufpassen.

Die Querung durch das Stadion ist ganz witzig. Es ist zwar für Zuschauer geöffnet, aber leider sind ziemlich wenige da. Wahrscheinlich ist einfach das Wetter zu schlecht.

Noch mal eine Gruppe Alphornbläser und nach ein paar Kurven und Ecken sind wir schon auf dem Rückweg zum KKL. Hier ist eine Begegnungsstrecke und wir können die schnellen Läufer bewundern, die bereits auf der zweiten Runde sind.

Die Passage durch das KKL ist ein Erlebnis. Blaue Beleuchtung und ein ohrenbetäubender Lärm von den vielen Zuschauern, sowie ein Sprecher über Mikro spornen einen an, hier besonders zügig zu laufen. Und danach kommt schon das nächste Highlight: wir laufen an der Kapellbrücke vorbei (dort wartet meine Kerstin auf mich, die vor mir schon einen blinden Läufer mit seinem Guide ablichten konnte) und durch die wunderschöne Luzerner Altstadt.

Ausgangs der Altstadt ist Kerstin noch mal zum Fotografieren und Anfeuern da. Da musste sie sich ganz schön beeilen, über die Kapellbrücke zu kommen, denn die Passage durch die Altstadt ist nur einen knappen Kilometer lang.

Der Weg raus aus der Stadt in Richtung Verkehrsmuseum zieht sich. Auch hier ist Begegnungsstrecke und man kann in die Gesichter der Mitstreiter schauen. Der Wendepunkt ist erst kurz vor dem Zieleinlauf. Die glücklichen Halbmarathonläufer dürfen jetzt einfach geradeaus die letzten 700 Meter ins Ziel laufen, während wir Marathonis das Ganze noch mal laufen müssen. Ich laufe also um den Wendepunkt rum und sofort bläst mir ein heftiger Gegenwind ins Gesicht. Bisher war der Wind nicht weiter schlimm (wir hatten sogar ein paar Mal Rückenwind!), aber hier ist er ganz schön brutal.

Kurz nach dem Wendepunkt kommt die Halbmarathonmarke, die ich nach 2:07 passiere. Das wird heute nix mit den 4:15, denn dieses Tempo kann ich bestimmt nicht bis zum Schluss halten. Aber ich bin doch besser unterwegs als befürchtet. Auf der Gegenfahrbahn rast bereits der Marathonsieger in Richtung Ziel. Das ist heute der Schweizer Fabian Anrig, der mit 4 Minuten Vorsprung vor dem Zweiten in 2:27:22 gewinnt

Kerstin fotografiert mich ein letztes Mal auf der Seebrücke und dann hat sie viel Zeit, um mit dem Schiff wieder rüber zum Verkehrshaus zu fahren, um mich in über 2 Stunden ins Ziel kommen zu sehen.

Die zweite Runde ist nicht viel anders als die erste, nur die Steigungen machen jetzt viel mehr Probleme und bei der langen Steigung muss ich ein ganzes Stück gehen. Damit bin ich allerdings auch nicht alleine, das geht vielen hier so. Bei Kilometer 25 nehme ich eines der angebotenen Isostar-Gels, aber das schmeckt nicht und bekommt mir gar nicht: ich bekomme Magenschmerzen und muss eine Weile deutlich langsamer laufen, bis sie wieder abklingen.

Bis Kilometer 31 kann ich den Schnitt von 6 Minuten noch halten, aber dann wird es trotz Gel-Chip (der mir jetzt schon gar nicht mehr schmeckt) ziemlich hart. Jetzt sind doch immer wieder Gehpausen nötig und als mich der Tempoläufer für die 4:15 überholt, ist das schon etwas frustrierend (der ist ja 6 Minuten nach mir gestartet). Unmöglich, da dran zu bleiben. Ich hoffe nur, dass mich der Tempoläufer für 4:30 nicht einholt.

Das jedenfalls klappt! Als das Ziel naht, zwinge ich mich dazu, keine Gehpausen mehr zu machen und laufe durch, vorbei an meiner treuen Kerstin und in den Zielkanal im Verkehrshaus, der noch mal ein besonderes Gänsehauterlebnis bringt: die Zuschauer schlagen rhythmisch auf die Bandenabsperrung und jubeln jedem Finisher lautstark zu. Über den roten Teppich geht es schließlich ins Ziel, das ich nach 4:24:55 erreiche.

Damit bin ich hochzufrieden, hab ich doch mein Hauptziel erreicht, unter 4:30 zu bleiben. Mir tut jetzt zwar alles weh, aber für den ersten Marathon seit 15 Monaten war das schon ganz gut. Ich bin wieder da!

Josianne schafft eine absolute Punktlandung und läuft den Halbmarathon in 1:50:00,2!! Sicher wäre sie gerne 3 Hundertstel schneller gewesen …

Übrigens hatte ich noch nie so gute Duschen wie hier. Sie sind in einem Duschzelt aufgebaut, es gibt reichlich, sodass man nicht anstehen muss, das Wasser ist herrlich warm und der Duschstrahl richtig gut. Anschließend geht es dann um eine sehr schöne Medaille reicher wieder zurück zum Schiff, das uns nach Luzern zurückbringt.

Und Mara Thon gratuliert auch.